Telefunken R 65?… Nie gehört!
Mitte der 50er Jahre (das genaue Datum kann ich nicht mehr feststellen) kam ein Anruf von einem alten und verehrten Freund, dem Generalmusikdirektor, Komponisten und Musikphilosophen Hans Herwig: Hänseken, morgen macht der WDR eine Probeaufnahme in der Balver Höhle, komm mit Deiner Geige! Hans Herwig gehörte zu den Initiatoren der Pläne, das Naturwunder im Sauerland zu einem Konzertsaal zu machen, er berichtete von Erfahrungen mit der einzigartigen Akustik dieses Raumes. Also erschien der kleine Ü-Wagen des WDR, und für mich, besessen von der Rundfunktechnik, wurde die Aufnahme zum unvergessenen Erlebnis der Mischung, MEINER Mischung, von Musik und Technik. So spielte ich den ersten Satz aus Bachs Solosonate C-Dur, vor mir in der Höhle stand ein Mikrofon Neumann M 49, gespeist aus einem Maihak Batteriekoffer B9.
Ein Fremdenführer erzählte etwas zur Geschichte der Balver Höhle, er versprach sich, offensichtlich ein Mikrofon nicht gewohnt, aber genau das war ein Glücksfall, wurde zu DEM Technikereignis. Der Toning. ließ mich im Ü-Wagen zusehen- und hören beim Schnitt der Aufnahmen! Das alte NWDR Foto zeigt genau den Typ Ü- Wagen, eingebaut waren ein Mischpult Maihak V 45 und 2 der Telefunken R 65!Diese Maschinen, speziell für mobilen Betrieb gebaut, kannte ich bis dahin nicht, aus den Funkhäusern waren mir ja nur die “normalen“ T 9 oder deren Vorgänger geläufig. Das Besondere: Die R 65 läuft mit Bordstrom von 12 Volt, ein gewaltiger Vorteil beim netzunabhängigen Betrieb.
Es waren keine großen Umformer von 12 Volt auf Netzspannung mehr erforderlich, es genügten kleinere Batterien und längere Aufnahmen ohne Stromanschluß wurden möglich.
Die großen Übertragungsfahrzeuge aus der Zeit benötigten für die netzunabhängige Versorgung der Pulte und stromhungrigen Magnetophone T 8 oder T 9 zentnerschwere Batterien, die auch noch die relativ hohen Verluste der rotierenden Umformer aufbringen mußten. Der fliehkraftgeregelte 12 V Tonmotor der R 65 ist gleichzeitig Umformer für die Anodenspannung des zugehörigen Aufnahme/Wiedergabeverstärkers V 98! Beim Suchen von Band-Schnittstellen per Hand ohne laufenden Tonmotor wurde der Wiedergabeverstärker zur Überbrückung von einer Anodenbatterie gespeist.Netzunabhängige Bandmaschinen gab es schon bei der RRG bzw. für die Wehrmacht, u.a. den Tonschreiber c, und sehr früh beim Wiederaufbau des Rundfunks nach dem Kriege ging die Entwicklung weiter. Schon im Dezember 1951 kam der Vorgänger der R 65, die R 64 heraus.
Offensichtlich auf der Grundlage des Chassis der gleichzeitig in den frühen 50er Jahren für den semiprofessionellen Markt entwickelten AW 2. Der Bandantrieb erfolgte durch den beschriebenen Umformer-Tonmotor und mit einer Bandgeschwindigkeit von 76,2 cm. Eine R 64 habe ich leider in natura nie gesehen… Im April 1953 erhielt die Maschine dann bei insgesamt nicht sehr verändertem technischen Konzept ein eigenes Gesicht, eine verkleinerte Mischung aus T 9 und M5, aber völlig unverwechselbar Telefunken!Immer noch mit 76 cm/sec Bandgeschwindigkeit. Die Umstellung auf 38,1 cm/sec erfolgte dann im Juli 1957 mit der R 65a. Alle 3 Modelle haben die Bandtellergöße 27 cm für 700 m Studioband. Die Verstärker sind bei allen 3 Bauformen jeweils nur gering modifiziert worden. Eingangspegel + 6 dB, aber abweichend von “normalen“ A-W Verstärkern gibt der Wiedergabeverstärker bei der R 64 und R 65 nur – 20 dB ab, nur bei der R 65a dann Normpegel + 6 dB. Der kombinierte A-W Verstärker V 98 ist in einer Verstärkerwanne zusammen untergebracht ohne Netzteil, das war nicht erforderlich bei dem speziellen Einsatzzweck. Hier bei uns in der Funkstunde ist eine sehr schöne betriebsfähige R 65a zu sehen, z.Zt. noch eine Dauerleihgabe von unserem Vereinsfreund Axel Kohl. Die Fotos vom Innenleben einer R 65a verdanken wir dem Sammlerfreund Lother Wendt, die er von seinem Exemplar gemacht hat.