Die geteilte Musik
Es kam einem Glaubensbekenntnis gleich und klang wie ein volltönend angestimmtes „Ein feste Burg“, als Alois Melichar 1952 seinem ersten kleinen Sammelband mit Betrachtungen zum Musikleben seiner Zeit den Titel „Die unteilbare Musik“ gab. Aus dieser Überschrift spricht unverkennbar eine Selbstsicherheit in der Sache, dazu aber aus heutiger Sicht vielleicht auch ein wenig die Beschwörung der Zukunft.
Versetzen wir uns einmal zurück in die die Mitte des vergangenen Jahrhunderts und blicken von dort aus mit den offenen Ohren und Augen eines echten Musikers noch rund 50 Jahre weiter zurück: Der Strom großer schöpferischer Kraft in einer durchgehenden Linie von Jahrhunderten war noch nicht versiegt; ein Verblühen dieser Kraft, wie es Spenglers Kulturbetrachtung entsprochen hätte, war vor 1950 nicht zwingend erkennbar. Daß die erwähnte Linie sich dann aber nicht langsam senkte, sondern im Wesentlichen plötzlich abbrach, hat nur schwer erkennbare innere, jedoch offen sichtbare äußere Gründe. Zu den letzteren gehört hauptsächlich und in vielfältiger Weise der 2. Weltkrieg mit Rassenwahn und Bücher(Noten)-Verbrennungen. Deren Folgen, so dramatisch sie während der „1000 Jahre“ auch waren, wirken bis heute unter anderen Vorzeichen kaum weniger verheerend weiter.
Diese rund 60 Jahre nach Kriegsende waren und sind die Zeit meiner Tätigkeit in der Musik und der gleichzeitigen Beobachtung ihrer Entwicklung über den Zargenrand meiner Geige hinaus. Unter der Überschrift „Die geteilte Musik“ knüpfe ich an dieser Stelle in loser Folge an die „Unteilbare Musik“ an, verbunden mit einer kritischen Sichtung des Musiklebens ab der Stunde null, die das Ende des Zweiten Weltkrieges markiert.
Die Frage muß gestellt werden: Sind 50 Jahre ein aussagefähiger Abschnitt in der Musikgeschichte? Ganz sicher ja, wenn man sich die Entwicklung während einer solchen Anzahl von Jahren z.B. von Bach zu Mozart oder Beethoven zu Schubert vorstellt. Aber was kam nach Ravel, Rachmaninoff, Scharwenka, Strauß, Schreker, Hindemith, Busoni, Delius, Janacek, Korngold, Pfitzner und all den anderen Größen jener Jahre?
Nun, die Musik IST geteilt, und wir wollen den anderen Machern „neuer Musik“ und ihren sie begleitenden Machthabern während meiner Zeit auf die tumben und manchmal auch schmuddeligen Finger sehen. Aus Erfahrung weiß ich, daß sich ein Blick in deren Partituren meist nicht lohnt (allein der Schaltplan eines Verstärkers hat ein Vielfaches mehr an Substanz) und unsere Ohren wollen wir soweit wie möglich schonen…..
Nachbemerkung: Sollten Sie einen Reger, Stephan oder Blacher unter den Lebenden kennen – bitte geben Sie mir seine Anschrift. Ich mache mich dann sofort auf den Weg und werde diesem Menschen die Schuhe putzen! Und ich bekenne mit großem Bedauern, daß ich eine solche Reise in einem konkreten Fall versäumt habe: Astor Piazolla lebte nicht mehr, als ich ihn entdeckt hatte!
Und jetzt noch eine ungeteilte Bitte, falls Sie meine zornigen Kapitel zur Unmusik der 2. bis x-ten neuen Wiener Schule weiterlesen: sehen Sie mich bitte in keinem Falle in der Ecke vergrämter Miesmacher, dazu ist mein bisheriges Leben mit der großen Musik viel zu reich und schön! Und das ist es jeden Tag neu. Und ich glühe für die Großen vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert mit Herz und Kopf. Aber mit den Meistern befasse ich mich lieber mit meinem Instrument in der Hand, mit ihren Partituren oder höre ihnen zu. Ausführlich darüber zu schreiben überlasse ich Berufeneren, die das auch in großartigster Weise getan haben, seien es Bekker oder Furtwängler, Hindemith, Berrsche, Spengler, Schweitzer, Brendel, Busoni, Dieskau und viele andere.
Der nichtmusikalische Teil der geteilten Musik nimmt zwar in der MUSIK nur einen ganz winzigen Raum ein, macht sich dafür aber im (Medien)-Musikleben dank seiner vielschichtigen fast sizilianischen Einfluß-und Machtstrukturen seit 60 Jahren völlig unverhältnismäßig breit. Ja, ich gebe zu, ich versuche gar nicht, auf diesem Feld journalistisch neutral zu berichten, ich bin nach den passiven und aktiven Erlebnissen mit den vereinigten hochstapelnden Nichtskönnern wütend! Nach den folgenden Abschnitten werden Sie vielleicht verstehen, warum.
Aber sehen sie meine Texte doch einfach als ein immaginäres Rondo an, nur daß das schöne Rondothema MUSIK nicht nach jedem garstigen Zwischenspiel tatsächlich erklingt, aber im im Bewußtsein der Mittelpunkt bleiben soll.
wird fortgesetzt.