Ein kleiner Beitrag über die Wiederauferstehung der Röhrentechnik im Studio von Ulrich Apel für die Ausgabe 2 der „Funkstunde – die Illustrierte“ – mit freundlicher Genehmigung nun veröffentlicht auf www.Funkstunde.com.
Die Elektronenröhre in der Mikrofon-Verstärkertechnik
Auf der Suche nach Möglichkeiten der schnelleren Nachrichtenübermittlung, welche bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts per Draht, Telegrafenrelais und Löschfunkensender bewerkstelligt wurde, entsann man sich der zufälligen Entdeckung des Th. A. Edison.
Dieser schmolz im Jahre 1883 eine Metallplatte in eine seiner Glühlampen, weil er ergründen wollte, weshalb sich der Glaskolben nach längerer Brenndauer von innen schwärzte. Dieser Platte gab er auch einen Anschluß nach außen. Durch weitere Experimente wies Edison einen Strom, der zwischen den Anschlüssen des Glühfadens und der Metallplatte floß, nach.
Das half ihm aber auf der Suche nach Gründen für die Schwärzung nicht weiter, deshalb kümmerte er sich nicht weiter um den Stromfluß – er maß dem Umstand des Elektronenflusses keine Bedeutung bei!
Wiederentdeckt wurde diese „Edison´sche Anordnung“ etliche Jahre später:
Der Österreicher Robert von Lieben, der Engländer John Fleming und der Amerikaner Lee de Forest ließen sich fast gleichzeitig und unabhängig voneinander das „Kathodenstrahlen-Relais“ (v. Lieben 1906), das Audion (Fleming 1904) und die Gitterröhre (de Forest 1906) patentieren.
Allen Patenten gemeinsam war die Entdeckung, daß der Elektronenstrom von der erhitzten Kathode (so wurde der Heizfaden genannt) zur Anode (dem gegenüberliegenden Blech) mit einem dazwischenliegenden Gitter (einer Lochblende aus Metall oder einem Drahtgitter mit Anschluß nach außen) durch eine angelegte – meist negative – Spannung gegenüber dem Heizfaden steuerbar ist.
Wenn dieses „Gitter“ gegenüber der Kathode einen kleinen Spannungsimpuls erhielt, machte sich das durch eine große Änderung des Anodenstromes bemerkbar. Die Elektronenröhre mit Steuerung war erfunden.
Die weitere Entwicklung:
Auf der Suche nach einer Optimierung des Elektronenflusses und des Energiebedarfs zum Betrieb von Röhren gingen bis in die späten 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Hunderte von Patenten ein. Man setzte sich nicht nur mit Verstärkungsproblemen auseinander, auch die gesamte Hochfrequenztechnik, (RADAR, Erhitzung durch Microwellen) sogar bis in den Giga-Hertz-Bereich (10 hoch 9 Hertz) profitierte von den unermüdlichen Erfindern und Verbesserern, die sich der Röhrentechnik verschrieben hatten.
Zunächst erfand man die Beschichtung der Kathode durch Barium zur besseren Elektronenemission. Die sogenannten „Hellbrenner“, das waren Wolframkathoden, die ein Zimmer so beleuchteten, daß man ohne Probleme lesen konnte, gehörten nach dem 1. Weltkrieg der Vergangenheit an.
Dann gingen viele Patente speziell in die Richtung der Beeinflussung des Elektronenstromes zwischen Kathode und Anode ein:
Wirkungsgradverbesserung der „Eingitterröhre“ durch Einfügen des Schirmgitters, eines 2. Gitters zwischen Steuergitter und Anode, dadurch Verringerung der Abhängigkeit des Anodenstromes von der Anodenspannung. Vermeidung der Sekundärelektronenemission durch das Bremsgitter, das 3. Gitter zwischen Heizfaden und Anode. Der Verstärkungsfaktor besonders bei Endröhren steigt gleichzeitig um ein Vielfaches. Die Tetrode (2-Gitterröhre) und die Pentode (3-Gitterröhre) waren erfunden.
Parallel zu dieser Entwicklung stiegen natürlich auch die Ansprüche an das Signalverhalten und damit an die Signalqualität hinsichtlich Verzerrungen und Rauschen. Die Röhren wurden für ihren speziellen Zweck optimiert: Es gab Niederfrequenz- Hochfrequenz- Stromversorgungs- und Schaltröhren, die alle ihre eignen technischen Daten für den speziellen Verwendungszweck bekamen. Zusätzlich zu den reinen technischen Daten gesellte sich auch noch die Konstruktionsvielfalt der Sockel hinzu.
Das Streben nach „der Universalröhre“ wurde schnell zugunsten sehr guter Speziallösungen aufgegeben.
Einige Begriffe aus der Röhrentechnik
Die Elektroden einer Röhre werden griechisch gezählt.
So ist die einfache Anordnung, die aus Heizung und Anode besteht die Diode, also die 2-Elektrodenröhre.
Kommt das Steuergitter dazu, spricht man von einer 3-pol-Röhre oder der Triode.
Tetrode ist die Röhre mit 2 Gittern und Pentode die Röhre mit den 3 Gittern, die auch als Steuer- Schirm- und Bremsgitter bezeichnet werden.
Hexode, Septode, Oktode sind Spezialröhren hauptsächlich aus der HF-Technik, die in der NF-Verstärkertechnik keine Verwendung finden.
Die Röhre im Audio-Verstärker:
Die Vielzahl der Röhrentypen allein auf diesem Gebiet brachte natürlich auch eine Vielzahl von technischen Daten und Schaltungsmöglichkeiten mit sich. Jeder Hersteller hatte mit den unzähligen Röhren und deren Daten teilweise hervorragende Schaltungen entwickelt.
Neben Heizspannung und -strom sind die Anodenspannung und der -strom und damit die Leistung ein wichtiges Konstruktionskriterium für den Verstärkerbau. Die Geradlinigkeit von Steuerkurven, die sogenannten Röhrenkennlinien sind ebenso von Bedeutung wie das Rauschverhalten des Elektronenstroms.
So, wie der Anwender eines Verstärkers sich für die technischen Daten in Form von Diagrammen interessiert, ist für den Konstrukteur von Röhrenverstärkern die sog. Ia – Ug – Kennlinie angegeben, aus der direkt ersichtlich ist, wie die einzelnen Elektroden (Gitter; Anode etc.) zu beschalten sind, welche Spannungen angelegt werden müssen, um der Röhre den bestmöglichen Wirkungsgrad und die geringstmögliche Verzerrung abzuverlangen. Diese wohl universellste Kennlinie einer Röhre zeigt dem Konstrukteur auf einen Blick, was er von dieser Röhre verlangen kann, wo er sie unter welchen Bedingungen einsetzen kann.
Aus dieser Kennlinie läßt sich leicht die „Steilheit“ ersehen, eine technische Eigenschaft zur Klassifizierung der Röhren, geht aus ihr doch hervor, was man „vorne“ am Gitter einspeisen muß, um „hinten“ an der Anode etwas bestimmtes herauszubekommen…
Aus dieser Kennlinie läßt sich direkt die Verstärkung ersehen.
Weitere Daten geben die Grenzfrequenz an, bis zu der eine Röhre arbeitet. Da aber selbst NF-Röhren durchaus bis in den MHz-Bereich (einige 1000 kHz) gehen, braucht man sich hier keine Gedanken zu machen.
Der Spannungsverstärker (Line-Verstärker) hat die Aufgabe, die niedrigen Pegel eines Mikrofons, eines Instruments für den Betrieb im Studio anzuheben. In der Studio-Röhrentechnik geschieht das in der Regel mit einem 2-3-stufigen Verstärker, der neben steilen Röhren (wenig Gitterspannungsänderung resultiert in viel Anodenstromänderung) auch geeignete „Schaltungskniffe“ enthält, den Frequenzgang zu beeinflussen und den Störpegel (z. B. Röhrenrauschen) zu senken.
Diese Röhren-Vorverstärker, es können Trioden oder Pentoden darin verwendet werden, sind meist klein und sie wären unscheinbar, würden sie nicht warm und bräuchten sie nicht ein wenig Zeit, um aufzuheizen um optimal zu arbeiten. Da das „Steuergitter“ im Vakuum zwischen Kathode und Anode „hängt“, ist allen Röhren gemeinsam: sie lassen sich ohne Leistungsaufwand, nur mit kleinen Spannungen sozusagen „mühelos“ steuern!
Dieser Umstand ergibt einen meist sehr hochohmigen Eingang, der ohne Probleme an die meisten Geräte angeschlossen werden kann, da diese dann rückwirkend nicht belastet werden.
Verzerrungen
Da die Kennlinie einer Röhre gekrümmt ist, entstehen an ihrem Ausgang, der Anode Verzerrungen. Der Anodenstrom folgt also nicht genau dem Verlauf der Gitterspannung. Besonders im unteren Teil, wie in der Ia – Ug – Kennlinie zu sehen ist, entstehen durch die Nichtlinearität erhebliche Verzerrungen.
Trotzdem gelingt es den Röhrenkonstrukteuren, einen kleinen Teil dieser Kennlinie in jeder Röhre annähernd gerade zu gestalten. Nun liegt es an der Kunst des Verstärkerbauers, dafür zu sorgen, daß alle Signale, die verarbeitet werden sollen, in diesem Bereich der Kennlinie liegen.
Die Röhren haben, bedingt durch ihren Aufbau, eine etwas andere Kennliniencharakteristik als die Halbleiter. Sie sind etwas „weicher“ bei der Signalumformung und auch in der Übersteuerung „angenehmer“ als ihre „kalten“ Kollegen. Das macht den Klang etwas runder, die Bässe sind ausgeprägter und die Höhen werden samtig, sie verlieren ihre Schärfe. Verantwortlich dafür ist die 2. Harmonische, also die Oktave.
Bei Halbleitern hingegen finden wir die 3. Harmonischen, die das Klangbild rauher machen.
Warum Triode und Pentode einen unterschiedlichen Klang haben
Sowohl die Anoden- als auch die Gitterspannung bestimmen den Arbeitspunkt der Röhre.
Da die negative Gitterspannung leicht durch einen Kathodenwiderstand (Spannungsabfall) erzeugt werden kann, ist diesem Bauelement eine besondere Beachtung zu schenken.
In einer Triode ist der Anodenstrom direkt von der Anodenspannung abhängig. Mit Schwanken des Anodenstromes schwankt der Spannungsabfall am Kathoden-Widerstand und somit verschiebt sich der Arbeitspunkt der Röhre mit der Aussteuerung!
Daher erfreuen sich echte „Triodenverstärker“ großer Beliebtheit, da sie angenehm weich mit steigendem Pegel k2 steigen lassen, welches nichts anderes bedeutet, daß der ursprüngliche Ton mit seiner Oktave überlagert wird! Anders verhält sich die Pentode. Sie ist bei der Aussteuerung härter, da durch Gitter 2 die Abhängigkeit von Ua (Anodenspannung) und Ia (Anodenstrom) entkoppelt sind.
Der Arbeitspunkt ist stabiler, die Kennlinie gerader und im Falle der Übersteuerung treten durch k3 unangenehmere „Mißtöne“ auf!
Man darf auch nicht außer Acht lassen: die größten Entwicklungsschritte für die Röhre (in den 50er und 60er Jahren) wurden gemacht, als der Transistor (erfunden 1949) schon existierte. Der Nachteil dieses „Halbleiters“ – wie der Transistor auch genannt wurde – war nämlich am Anfang: zu teuer, zu empfindlich, zu temperaturabhängig, zu ungenau in den technischen Daten. Man gab ihm daher keine rechte Chance für die Zukunft…
In der Röhrentechnik jedoch hatten die meisten Firmen – hier ganz besonders Telefunken und Valvo (Philips) – die meiste Erfahrung.
Heute entstehen vermehrt Röhrenverstärker, weil es wieder Röhren gibt und diese – wegen ihrer Technologie – prinzipiell völlig anders arbeiten, als Transistoren und demzufolge anders klingen.
Gemeint ist in diesem Fall die Röhre im allerersten Glied der Kette: im Mikrofonverstärker, der eigentlich nur ein Impedanzwandler ist.
Röhrenmikrofone sind grundsätzlich Kondensatormikrofone, deren Vater unbestritten Georg Neumann ist.
Neumann, ein Schüler des Pioniers der Studiomikrofone, Eugen Reisz, machte sich schon früh Gedanken über die Klangverbesserung der von Reisz produzierten Kohlemikrofone.
So konnte Neumann 1929 die Schallschwingungen, welche nichts Weiteres sind, als die Schwingungen der Luftmoleküle, fast trägheitslos in elektrische Schwingungen umsetzen. Dies geschah mit einem mikroskopisch dünnen Häutchen, welches in einer Kapsel mit einer speziell gelochten Gegenelektrode einen Kondensator bildete.
Dieser Kondensator wird nun durch die sogenannte Polaritätsspannung aufgeladen, und die Bewegung des Häutchens durch den Schall, verursacht dann eine Ladungsänderung. Das Gebilde hat einen Innenwiderstand von mehreren hundert Millionen Ohm! In der Studiotechnik sind aber 200 Ohm üblich…
Um hier eine Anpassung zu erreichen, benutzte Neumann eine einzige Röhre!
Durch das Vakuum ist eine Röhre als hochohmiges Bauteil geboren, ein Halbleiter mußte erst dazu gemacht werden.
Dieses Prinzip nutzte Neumann in seiner von ca. 1930 – 1950 gebauten „Flasche“. Sie wurde dank ihrer außerordentlichen Klangeigenschaften schnell zum „Standard“.
Oben ist die abschraubbare Kapsel zu erkennen, und im unteren, weitaus größeren Teil, der mit einer glühlampengroßen Röhre bestückte „Verstärker“.
Kurz nach dem Kriege wurde diese „Flasche“ um ca. die Hälfte verkleinert. Es entstand das U 47, ein Mikrofon, welches gerade heute als „Legende“ bezeichnet wird. Dieses Mikrofon erhielt eine Doppelmembrankapsel und war somit das erste in seiner Charakteristik (Rundumempfindlichkeit) umschaltbare Mikrofon.
In Zusammenarbeit mit der Zentraltechnik des damaligen N:W:D:R: wurde der Mikrofonverstärker erneut überarbeitet. Es entstand das Mikrofon „M49“, heute ein Klassiker, bei dem sich die Richtcharakteristik von Kugel über Niere bis zur Acht stufenlos einstellen läßt.
Dieses Mikrofon wurde von 1951-1974, also wiederum mehr als 20 Jahre gebaut!
Heutige Röhrenmikrofone am Beispiel von Microtech Gefell
Ein Klassiker mit der Röhre EC 92 ist auch heute noch das UM 57. Dieses Mikrofon ist, wie auch seine modernen Nachfolger, mit der originalen M-7-Kapsel ausgestattet. Am externen Netzteil ließ sich die Charakteristik umschalten. Ein ganz besonderes Mikrofon aus der neueren Entwicklung – weil mit einer Spezialröhre bestückt – ist das UM 900 von Microtech Gefell: Es ist das erste phantomgespeiste Röhrenmikrofon. Die Spezialröhre ist eine selektierte Niedervolt-Röhre. Am Mikrofon lassen sich Bedämpfungen und Charakteristiken umschalten.Ebenfalls mit der EF 86 und der M-7-Kapsel ausgestattet ist das umschaltbare UM 92.1S
Hier noch – als Beispiel – die Abbildung und die Daten einiger wichtiger Röhren, die heute immer noch und wieder Verwendung in Mikrofonverstärkern finden:
Quellen:
Funktechnische Arbeitsblätter Röhrentaschentabelle Franzis-Verlag Ratheiser: Röhrenschaltungen Alle Fotos vom Verfasser, Ausnahme: die Abbildungen von Microtech Gefell
Verfasser:
Ulrich Apel Freiberuflich tätiger Toningenieur Brückweg 23 53947 Nettersheim