Original – Abbildung – Beschreibung
Hugh, die Fachleute für Musik und Profit hatten gespochen – und nun gings richtig los. Die LP, bis eben noch „vollendeter Musikgenuß“, stand weiteren großen Geschäften plötzlich im Wege frei nach dem Motto: Genug der Gaslaternen, neue Erleuchtung braucht die Welt! Das gängige Repertoire der Klassik lag in vielen oder oftmals ZU vielen (Jahreszeiten, Beethoven 5. usw.) Aufnahmen vor. Allein der Starkult sorgte noch für einen gewissen Fortbestand der Branche. Was also tun für neue Umsätze? Der Versuch mit der Quadrofonie scheiterte schon am üblichen Systemchaos der Industrie und dann am hohen Aufwand bei den häuslichen Anlagen.
Da kam die Rechnertechnik wie gerufen! Gleichgültig, wie unsinnig deren Anwendung zur Aufzeichnung von Musik war und ist: endlich gab es vorschiebbare Gründe, die gesamte Musikgeschichte neu aufzunehemen und dem systematisch verdummten Kunden zu verkaufen.
Das machte zunächst „Verbraucheraufklärung“ erforderlich, wie das heute heißt. Ihre über Jahrzehnte wohlgehüteten Geheimnisse, betreffend die schwarze Scheibe, gaben die Hersteller jetzt endlich preis: Die LP hätte böse Zusatzstoffe wie Rauschen, Klirren, Jaulen, Knacksen. Aber keine Sorge, der schlechten Nachricht folgte gleich die gute: Diese bösen Fehler wären beim neuen Silberling – die Rede ist von der CD – endlich behoben (an späterer Stelle sehen wir uns diese „Fehler“ allerdings noch genauer an).
Doch wieder vergaßen die Macher etwas bei ihrer Aufklärung: Die einfache Information, daß der Musikfreund jetzt keine Abbildung eines Werkes mehr nach Hause trug, sondern nur die unvollständige BESCHREIBUNG einer Abbildung! Wer würde eine in tausende Teile zersplitterte und anschließend zusammengeklebte Ming-Vase kaufen? Niemand, denn sie wäre wertlos. Das Flickwerk taugt allenfalls noch als unzureichende Beschreibung des verloren gegangenen Kunstwerks. Der Betrachter kann traurig versuchen, sich die ehemalige Schönheit vorzustellen – und genau das verlangt man von unzählbaren CD-Käufern, die nur Puzzleteile erwerben. Und das keinesfalls für Kleingeld, sondern zum Preis einer vollständigen Sache! So erging es auch Goethes Erlköning: „…erreicht den Hof mit Müh und Not, in seinen Armen das Kind war tot“.
Sehen wir uns nun ein paar der Argumente pro und contra digital/CD im Bereich Musikaufnahme etwas näher an. Zuvor stelle ich für alle meine diesbezüglichen Darlegungen aber klar, daß ich kein Physiker/Mathematiker bin, sondern ein Musiker mit einigen technischen Kenntnissen. Ich spreche nur über persönliche Gedanken, Gefühle und Hörerfahrungen in diesem Bereich. Zur Sprache kommen hier aussschließlich die vordergründigen Erscheinungen der analogen und digitalen Technik. Ich gehe nicht auf technische Details der 2. Reihe ein.