Liebe Freunde der FUNKSTUNDE!
Baustelle mit Turm und Hilfsturm 1925
Auf unserem Titelblatt seht Ihr den bekannten Berliner Funkturm und gleichzeitigen Leuchtturm in der deutschen Rundfunkgeschichte. Ja, auch die wunderbaren Sendungen der damaligen FUNKSTUNDE wurden ab 1925 auf der Mittelwellenfrequenz 520,8 KHz übertragen, und zwar mittels eines 80m hohen Hilfsturms, von dem aus eine Antenne zur Spitze des Funkturms gespannt wurde. Auf unserem Foto kann man Funkturm und Hilfsturm gut erkennen.
Die großen Unterhaltungsorchester eines Marek Weber, Theo Mackeben, Franz Grothe oder Hans Bund, die berühmtesten Musiker wie Kreisler oder Schnabel, begnadete Sänger wie Tauber und Gigli kamen so direkt in die Wohnzimmer der Berliner. Übrigens ist der Funkturm ebensowenig wie die legendäre Autobahn eine Erfindung des Dritten Reiches. Die Pläne lagen längst in der Schublade, der Turm stand schon und der Autobahnbau wurde als Propagandafeldzug mißbraucht.
Bereits 1924 hat der zu seiner Zeit renommierte Architekt, Prof. Heinrich Straumer, die zündende Idee gehabt, den Berlinern mit dem neuen Sendeturm auch etwas „Weltstädtisches“ zu verpassen. Unverkennbar: hier hat der Eiffelturm Pate gestanden. Die vier Stelzen, die Stahlkonstruktion, die Bauform, alles eine Nummer kleiner als beim großen Bruder in der bewunderten Stadt Paris, doch mit seinen stolzen 138m (später 151, heute 146m) war er doch so imposant und weithin sichtbar, daß er zum Wahrzeichen der Stadt wurde und den Berlinern ihr „Langer Lulatsch“ immer einen Sonntagsausflug wert .
Um das muntere Treiben unter dem Funkturm zu dokumentieren, zeigen wir Albert Einstein bei seiner Eröffnungsrede, allerdings zur 7. Funkausstellung im Jahre 1930. Wer genau hinschaut, kann Albert Einstein bei einem Bad in der Menge erahnen, die Nahaufnahme zeigt ihn dann nochmals genauer.
Die Berliner sowie das internationale Publikum staunten nicht schlecht, als sie, nur ein paar Schritte von den Messehallen entfernt, in den Fahrstuhl des Funkturms stiegen und sich nach rasanter Fahrt auf einer luftigen Aussichtsplattform in Höhe von 126m wiederfanden. Der herrlicher Blick über Berlin und weit darüber hinaus war dann sicher für jeden Besucher ein Erlebnis.
Wem die Luft da oben zu dünn wurde, rauschte zurück auf 55m direkt hinein ins Gewühl des neuen Funkturmrestaurants. Bei Kaffe und Kuchen, Bouletten oder einer Weißen mit Schuß hatte man sich viel zu erzählen über die Ereignisses des Tages und natürlich die neueste Attraktion: den Funkturm. Danach ging es dann wieder abwärts; die ganz Mutigen nahmen nicht den Fahrstuhl, die stiegen die eisernen und recht „filigranen“ Stufen des Funkturms hinab – und waren heilfroh, wenn sie endlich und wohlbehalten wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen waren…
Wer den Funkturm heute sieht, denkt nicht an seine Verletzungen, die ihm im Laufe seines Bestehens zugefügt wurden. 1935 wurden durch einen Großbrand in den Messehallen sämtliche Sendeanlagen zerstört, auch das Funkturmrestaurant war nicht mehr zu retten. Zwischen 1939 und 1945 sendete er gar nicht, wurde als Warn- und Beobachtungsposten genutzt. Kurz vor Kriegsende trafen Granaten einen Träger des Turms in 38m Höhe. Die Schäden wurden bald beseitigt, das Funkturmrestaurant 1950 wieder eröffnet. – Der Funkturm dient längst nicht mehr als Sendeturm, andere, leistungsfähigere Anlagen haben diese Funktion übernommen; die letzten Antennen für Funk und Fernsehen wurden 1989 abgebaut; der Turm wurde restauriert und unter Denkamalschutz gestellt, doch ein Wahrzeichen Berlins ist er bis heute geblieben und er gilt – wie eh und je – als Anziehungspunkt, Treffpunkt, Aussichtspunkt, Erinnerungspunkt.
Sieht man ihn von Weitem oder geht an ihm vorbei, sollte man sich erinnern: der Funkturm steht für eine große Zeit in der deutschen Rundfunkgeschichte.
Und die alte FUNKSTUNDE war dabei.
1951 wurde der Sendebetrieb wieder aufgenommen, eine Schmetterlingsantenne, 12m hoch und auf der Turmspitze montiert, ließ den Funkturm auf eine stattliche Höhe von rund 151m anwachsen, und es meldete sich immer lauter eine Stimme zu Wort: „Hier ist RIAS Berlin, eine freie Stimme der freien Welt“.
Inzwischen gab es zwei deutsche Staaten, der kalte Krieg war in vollem Gange, in der „Frontstadt“ Berlin hautnah und jeden Tag zu erleben. Was der Berliner Bevölkerung morgens unter den Nägeln brannte, wurde schon abends in den Sendungen des RIAS kommentiert (u.a.Günther Neumann und seine „Insulaner“). Zwar stand der RIAS, der Rundfunk im Amerikanischen Sektor, unter amerikanischer Trägerschaft, doch die Gestaltung der Sendungen überließ die zuständige Kommission mehr und mehr den dort tätigen deutschen Journalisten.
Neu war vor allem, daß dieses „Sprachrohr Amerikas“ von Beginn an in deutscher Sprache sendete. John Hendrik, einer der populärsten Protagonisten des RIAS, erfüllte seine Aufgabe zu 100 Prozent, er war die ideale Besetzung, um der Bevölkerung die „Werte Amerikas“ nahezubringen. Das gelang ihm nicht durch Propaganda und Parolen, sondern mit Musik und Rhythmus. Mit seinen Sendungen wie „Klingendes Amerika“, dem legendären „Club 18“, oder „Heute so beliebt wie damals“, gewann er auf Anhieb die Herzen von Jung und Alt. Hendrik, Jahrgang 1906, kam als amerikanischer Offizier des State Departements zum RIAS, doch von Geburt her war er ein „Ur“ – Berliner. In den „Goldenen 20ern“ hatte er sich einen Namen als Operettenstar gemacht, mußte jedoch 1933 Deutschland verlassen.
In London, in New York baute er sich eine neue Karriere auf, war als Sänger am Broadway gefragt, als Entertainer und Nachrichtensprecher bei der „Voice of Amerika“ angestellt; sogar Hollywood rief nach ihm. Erst nachdem es ihm gelungen war, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erwerben, konnte er es nach dem Krieg mit seinem Gewissen vereinbaren als Amerikaner für einen amerikanischen Sender auf deutschem Boden zu arbeiten und den „neuen“ Deutschen zu begegnen. Ein Glück für seine Hörer!
Den RIAS gibt es nicht mehr, John Hendrik ist inzwischen verstorben, doch die Musiken der bedeutendsten Interpreten aus den oben genannten RIAS – Sendereihen konnten wir kürzlich für unsere FUNKSTUNDE erwerben.
Aus dem reichhaltigen Fundus der RIAS – Bänder werden wir in Zukunft für unser geplantes Internet – Radio schöpfen, und Ihr werdet es hören: Wir senden das Neueste von gestern.
Monika Wersche