Ausgabe 7 PENZING, 16. September 2014 8. Jahrgang KOSTENLOS

 

Von der Wiege… bis zur Wüste

Die 7. Ausgabe unserer Illustrierten FUNKSTUNDE befasst sich mit einem heiklen Thema. Nicht für jeden, aber hoffentlich für viele Leser stellt sich die Frage, wenn er z. B. das Radio einschaltet, eine Platte auflegt oder seinen iPod aktiviert: wo kommt denn die Musike eigentlich her? Manchem ist gar nicht bewusst, was ihm da zu Gehör gebracht wird. Mir gefällt es oder mir gefällt es nicht, spielt hier keine Rolle, auch nicht, ob es sich um U- bzw. E- ergo Ü- Musik handelt. Johannes Brüning ist im folgenden Beitrag  „Lasagne auf dem Plattenteller“ detektivisch vorgegangen und stellt klar, dass z. B. eine Schallplatte oft gar nicht so alt ist wie auf der Plattenhülle angegeben – technisch gesehen. Handelt es sich um Betrug? Wir sind verwirrt. Lassen wir uns von Johannes erklären wie der Schall auf die Platte kommt und wir Freude an einer „ehrlichen“ Aufnahme haben können. Sein Beitrag ist spannend wie ein Krimi und, glauben Sie mir, bei Ihrer nächsten Plattensession zu Hause werden Sie in den Plattenspieler hineinkriechen. Unsere Hörgewohnheiten haben sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Vor knapp 100 Jahren waren wir mit dem Trichter zufrieden. Nach vielen technischen Experimenten konnten wir Deutsche am 29. Oktober 1923 zum ersten Mal über einen Wunderkasten, ein sperriges Rundfunkgerät, überall im Lande, angenehmere Töne, eine Rede, Gesang, gar ein Orchester vernehmen. Das war eine Sensation! Die Entwicklung bei Rundfunk und Schallplatte ging weiter, vom Trichter mit seinen Monoaufzeichnungen zur  Stereophonie, und nur bei der Schallplatte sogar bis zur Quadrophonie. Tonaufnahmen wurden immer ausgefeilter, aber auch klangschöner? Von den 60ern bis in die 80er Jahre bestimmt. Und dann ging’s bergab in die Wüste von MP3 und DAB+. Die großen analogen Regieeinrichtungen der Röhrenzeit waren seltene Einzelstücke, zu finden z. B. in den Rundfunkhäusern Deutschlands. Ein Prachtexemplar aus dieser Zeit steht bekanntlich bei uns in der Funkstunde. Johannes verfolgt in seinem nächsten Artikel die „Lebensgeschichte“ einer weiteren solchen Anlage, die der NDR – Hannover ca. um 1960 bei Telefunken bestellt hatte. Das Pult, das wir Ihnen vorstellen, wurde berühmt, nahm aber später ein trauriges Ende. „Sender Zitrone“, sagt Ihnen das noch etwas?

Ein Ausflug nach Berlin…

Funkstunde e.V. Vorstand in Berlin

Funkstunde e.V. Vorstand in Berlin

Zu berichten ist noch von einem Ausflug nach Berlin an die Wiege der deutschen Rundfunklandschaft. Auf dem Foto unschwer zu erkennen: es ist Sommer.- Sommer in Berlin unter dem Brandenburger Tor. Wir 4 von der FUNKSTUNDE, Johanna, Peter, Johannes und ich, gehen auf rundfunkhistorische Wiederentdeckungstour. Wo fangen wir an? Erst mal geht es ins „Adlon“ (historisch!); bei Kaffee und Kuchen lässt sich’s gut planen: Nach Königs Wusterhausen zum Funkerberg, da wollen wir hin! Dem unermüdlichen Einsatz von funkhistorisch begeisterten Leuten ist es zu verdanken, dass nicht alle dieser historischen Stätten verloren gingen. Auch nach Nauen wollen wir, der einstigen großen Sendestation nordwestlich von Berlin. Ist sie noch in Betrieb?

Das Olympische Dorf von 1936

Das Olympische Dorf von 1936

Im Prinzip ja, aber nicht mehr als Weitverkehr – Kurzwellensender, sondern hier werden die ach so schönen Neuen Medien ausgestrahlt. Das Ganze ist in Privathand und ein Besuch ohne lange Vorbereitung nicht möglich; wir bleiben aber dran. Es muss ja nicht immer Funkhistorie sein und nach spannenden Fernsehberichten wollten wir auch sehen, wie das teilrestaurierte Olympische Dorf von 1936 aussieht.

Kurz gesagt, ein bewegendes Erlebnis! Und dann stehen wir vor der einstigen Unterkunft von Jesse Owens, dem wohl berühmtesten Teilnehmer der Olympischen Spiele; bis heute freut man sich über den winzigen Triumph: der GRÖFAZ musste vor den Augen der Welt diesem „Neger“ mehrfach die Hand drücken.

Das Zimmer von Jesse Owens im Olympischen Dorf

Das Zimmer von Jesse Owens im Olympischen Dorf

Jesse Owens

Jesse Owens

Und da denken wir doch gleich an unser Archiv; wir besitzen das originale Sendeband eines RIAS – Interviews von John Hendrik mit Jesse Owens, als dieser Berlin 1966 nochmals besucht hat.

Eine Fernsehkamera bei der Olympiade 1936

Eine Fernsehkamera bei der Olympiade 1936

hier ein Ausschnitt:    Ohnehin hat die Olympiade von 1936 die Rundfunk- und auch die frühe Fernsehtechnik zu damaligen Höchstleistungen angetrieben. Last but not least blicken wir hinter die Kulissen eines bis 1989 unüberhörbaren Senders im ehemaligen Ost – Berlin in der Nalepastraße. Außer Parteitagsreden von Ulbricht, Honecker, Krenz und Co. konnte man in diesem Funkhaus auch Kultur erleben. Wir erkämpfen uns an der noch sehr DDR-esken Pförtnerin vorbei den Weg zum Kammermusik – Studio, Saal III, des Hauses: Der Grund unseres Besuches ist ein sehr persönlicher.
J.Brüning im Funkhaus an der Nalepastraße, Kammermusik - Studio, Saal III

J.Brüning im Funkhaus an der Nalepastraße, Kammermusik – Studio, Saal III

Johannes hat in diesem akustischen Juwel vor 50 Jahren viele Aufnahmen eingespielt.

hier ein Beispiel:   

Du betrittst den Saal und denkst, du bist in einer Zeitmaschine gelandet: Alles ist bis zum letzten Millimeter original erhalten. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und wird in steigendem Maße wieder für Produktionen genutzt.

Alle angerissenen Themen sollen in weiteren Ausgaben unserer Illustrierten FUNKSTUNDE vertieft werden.

Sendestudio Königs-Wusterhausen

Sendestudio Königs-Wusterhausen

Mit der S-Bahn ist es vom Berliner Hauptbahnhof nur ein Katzensprung nach Königs Wusterhausen. Wo ist der berühmte Funkerberg? Ein Taxifahrer bringt uns hin. Der exponierte Standort für die 1911 von der Obersten Heeresleitung Berlin errichtete Militärstation ist strategisch gut gewählt, er liegt ca. 65 m ü. NN auf dem Windmühlenberg nördlich von Königs Wusterhausen. Die Hauptfunkstelle der Deutschen Reichspost übernahm die Sendeanlagen des Militärs im September 1919 und arbeitete von nun an zivil als Verbreitungsmedium vor allem von Wirtschaftsnachrichten. Bevor es zum ersten Mal aus Königs Wusterhausen erklang: „Hallo hallo, hier Welle 2700…“ bedurfte es noch reichlich Gehirnschmalz vieler kluger Köpfe, Wissenschafter, Techniker und nicht zuletzt politischer Entscheidungen.

Königs-Wusterhausen um 1921-22

Königs-Wusterhausen um 1921-22

Imposante Türme und Masten überzogen einst das riesige Gelände am Funkerberg. Heute kann man sich den gewaltigen Antennenwald aus der aktiven Zeit von Königs Wusterhausen kaum noch vorstellen; ein schönes Landschaftsmodell im Museum gibt die Situation wieder. Glücklicherweise hat aber ein Mast von 210 m überlebt. Und man kann sich vorstellen, dass mit derartigen Antennen schon damals weltweite Ausstrahlungen möglich waren.

Es ist bewundernswert, was der Förderverein „Sender Königs Wusterhausen e. V.“  (www.funkerberg.de) geleistet hat. Erstaunliche Ausstellungsstücke sind zu sehen, sei es ein großer Sender und ein gewaltiges Stromaggregat mit Dieselantrieb, was hier und da, wenn sich genügend Besucher an den immensen Treibstoffkosten beteiligen, im Betrieb gezeigt wird. Um eines klar zu stellen, von Königs Wusterhausen aus wurden bereits etliche Jahre VOR dem offiziellen Beginn des öffentlichen Rundfunks bei der Funkstunde am 29. Okt. 1923 zahlreiche Musiksendungen ausgestrahlt. Die Mitwirkenden waren zumeist Postbeamte, die mit ihren Instrumenten die Programme gestalteten. Es gäbe noch viel zu erzählen, aber das in einer späteren Ausgabe; oder am besten: SIE fahren auf den Funkerberg!

Neue Vinyl-LP: Lasagne auf dem Plattenteller!

Ganz so traurig steht es um die LP noch nicht

Ganz so traurig steht es um die LP noch nicht

Zugegeben, der Vergleich ist deutlich zeitgebunden (Frühjahr 2014) und hat ein Verfallsdatum, aber er lag einfach zu nahe, um ihn auszulassen. Hier wie dort (Teig)-Platten mit einer Schicht Gehacktem darauf, und hier wie dort viel zu oft falsche oder fehlende Deklaration der Inhaltsstoffe. Allerdings nur im Falle des Pastagerichtes ist dank besserer Kontrolle (vorübergehend?) mit Besserung zu rechnen, trapp, trapp… Bezüglich der analogen oder digitalen Inhaltsstoffe neuerer LP gibt es ja keine so bedeutenden EU-Vorschriften wie z.B. vor Jahren beim Krümmungsgrad von Gurken. Und bis auf wenige erfreuliche Ausnahmen (auf die ich noch zurückkommen werde) nutzt die Tonbranche weitgehend ihren Freiraum, macht keine konkreten Angaben, preist dafür aber mit den heute üblichen Sprüchen der Industrie-Lyrik ihre Tonträger an. Da gibt es falsche, irreführende oder einfach überhaupt keine Angaben zur Technik, in letzterem Falle ist seit den 80er Jahren größte Vorsicht geboten! Zur Vernebelung trägt die meist ahnungslose schreibende Zunft bei, echte Aufklärung hat sie nicht im Programm. Erstens gibt es zu diesem Thema kaum sachkundige Autoren bei der Tagespresse und zweitens will ernsthaft niemand die Geschäftemacherei stören. Sicher gäbe es ein paar wenige Autoren bei der Fachpresse, aber die lassen das Thema ganz still unter dem Teppich.

Ein Beispiel ist der Artikel „Und sie dreht sich doch“ in der SZ vom 26./27.1.13. Ohne jedes Fachwissen wird eine ganze Seite lang über den steigenden Umsatz mit LP berichtet! Da kommt bei mir auch die böse Frage auf, ob die politischen und wirtschaftlichen Beiträge der Süddeutschen Zeitung etwa ebenso laienhaft sind, wie beispielsweise dieser Bericht zur Situation der Schallplatte… im Gegensatz zu musikalisch-technischen Fragen kann ich auf den anderen Feldern die Hintergründe ja nicht aus eigenen Kenntnissen der Zusammenhänge nachprüfen.

Studioplattenspieler

Studioplattenspieler

Fälschung durch Weglassung

Zutreffend am Artikel des Herrn Hollenstein ist, daß die LP steigende Umsätze zu verzeichnen hat und die Diepholzer Fa. Pallas gut zu tun hat mit Preßaufträgen. Es ist erfreulich, wenn weiter ordentliche Plattenspieler gebaut werden, und wer viel Geld für sein Hobby ausgeben möchte, kann gerne Abertausende in einen Drehteller mit Tonarm investieren. Sammlern alter LP kann man nur weiterhin Finderglück wünschen, und viele Pressungen bis etwa in die Zeit um 1980 sind sicher ihren Preis wert. Aber bez. der Neuproduktionen sehen wir uns später die in dem Bericht herausgestellte „Ehrlichkeit“ noch genau an. Der ausgiebig von der SZ zitierte Herr Neumann, Eigentümer der Pallas, steht am Ende der Produktionskette, seine Firma beherrscht tatsächlich bis heute noch die anspruchsvolle Preßtechnik und nach dem Verlassen seiner Firma ist das schwarze Gold bereit für den Plattenspieler. Richtig ist, zum Problem für eine längerfristige Produktion von Schallplatten könnte es werden, daß es keine Hersteller von Preßmaschinen mehr gibt und gegenwärtig benötigte Ersatzteile durch Kannibalisieren von alten Maschinen gewonnen werden, bzw. auch durch Einzelanfertigung von Teilen. Aber damit ist es nicht getan, für eine einigermaßen vollständige Darstellung der Situation der Schallplatte muß man korrekterweise SÄMTLICHE Stationen zu deren Herstellung ansehen, auch jene, die VOR der letzten Fertigungsstufe, der Pressung und dann dem Abspielgerät liegen! Und die Beschränkung allein auf die Fragen der letzten Produktionsstufe macht den Artikel so ärgerlich und an entscheidender Stelle unprofessionell!

Der Folienschnitt

Schneidkopf

Schneidkopf

Die (auch von mir geschätzte) Pallas übernimmt seit jeher nur den Produktionsprozess ab angelieferter Lack-oder Kupferfolie. Aber, und das ist der große Mangel des Beitrags, kein Wort dazu, wie und in welcher technischen Form und Qualität die Musik auf die Preßmatritze, die entscheidende Vorstufe, kommt! Schon Valentin stellte ja zutreffend fest, daß „Schall“ auf der Platte sein muß. Und an diesem Punkt stellt sich heraus, die meisten der ach so „ehrlichen“ LP aus neuerer Zeit sind weitestgehend reiner Etikettenschwindel! Also auch auf unserem Gebiet so etwas wie Pferde-Lasagne, Glykolwein oder „Bio“-Eier aus dem Hühnerkäfig! Möglichst fehler- und knackfreie Galvanik bei Pallas in Ehren und sie ist unentbehrlich, aber die Endqualität einer LP wird von der Aufnahme und Folienüberspielung entscheidend mitbestimmt! Und DA liegen heute die großen Schwachstellen. Der praktisch einzige

Neumann Schneidemaschine

Neumann Schneidemaschine

Hersteller von Folienschneidmaschinen und der dazugehörigen SCHNEIDKÖPFE war die Fa. Neumann in Berlin. Neumann wurde bedauerlicherweise von Sennheiser übernommen und die Herstellung der Anlagen, aber speziell der SCHNEIDKÖPFE, endete bereits vor Jahren. Auf diesem Gebiet herrscht fast Notstand, denn nach meinem Wissen gibt es nur noch 2-3 Spezialisten, die Schneidköpfe zu extremen Kosten reparieren können. Eine Neuherstellung existiert lediglich in Form von Laborstücken, Serien sind kaum in Sicht. Die Grenze zum generellen Betrug mit neueren LP ist aber in meinen Augen dadurch überschritten, daß die ALLERMEISTEN Folien mit DIGITALEM Tonmaterial geschnitten werden, und das in höchst unterschiedlicher Qualität, ohne eine entsprechende Deklaration auf der Platte oder dem Cover!

Natürlich steht nirgendwo eine quasi naturgesetzliche Bedingung geschrieben, daß eine LP IMMER ein lückenlos analoges Produkt sein muß! Aber die größte Bedeutung des Vinyls ergibt sich doch aus der möglichen ANALOGEN Wiedergabe von Musik, wie sie seit der Erfindung der Schallplatte selbstverständlich war. Die LP wäre der einzige verbliebene und vervielfältigungsfähige REIN analoge Tonträger seit das Heimtonbandgerät oder die MC praktisch keine Rolle mehr spielen und der Rundfunk inzwischen zu einem Lieferanten primitivster MP3 Berieselung verkommen ist! Und es gibt sie in steigender Zahl, die Musikhörer, die (zu recht) der analogen Reproduktion von Musik nachtrauern! Fast alle mir bekannten Folienüberspieler, mit wenigen sehr erfreulichen Ausnahmen wie z.B. Organic Music in Obing, SST Brüggemann in Frankfurt, Schnittstelle Kauffelt in Frankfurt oder die Berliner Meister Schallplatten in Hannover (es wird noch einige wenige andere geben, über eine Info würde ich mich freuen!), sind nicht mehr in der Lage, von analogem Band zu schneiden. Und von den wenigen anderen Studios, die überhaupt noch das Geheimwissen besitzen, eine Studio-Bandmaschine betreiben zu können, steuern fast alle nur noch den Schreibervorschub mit dem analogen Tonsignal. Der Schreiber selbst wird dann über eine digitale Verzögerung gespeist!! Ergebnis in geschätzt 90 % der Produktionen: Eine CD oder SACD auf Vinyl! Und noch schlimmer: Sehr oft bekommen die Überspieler datenkomprimierte Primitv-Tonträger zum Schnitt angeliefert. Der Käufer erhält eine teure MP3 Schallplatte für Fan-Preise! Eine solche „digitale“ LP ist jedoch ein völlig sinnloses Produkt! Da ist man mit der CD besser bedient! Anders sieht es aus, wenn das Tonmaterial konsequent mit höchstauflösender Digitaltechnik hergestellt wurde wie z.B bei ACOUSENSE (und etlichen anderen), aber auch da bleibt für mich die Frage, ob es für den Anhänger digitaler Technik nicht sinnvoller ist, trotz Normenwirrwarr gleich eine SACD zu kaufen… .

Gelatine Aufnahmegerät.von oben

Gelatine Aufnahmegerät.von oben

Die Schnittechnik

An diesem Punkt ist wohl ein kleiner Ausflug in die Technik angebracht, denn aus Gesprächen mit Musikhörern und HI-FI Fans, auch mit „Kennern“, weiß ich,

Gelatine Aufnahmegerät. Antrieb

Gelatine Aufnahmegerät. Antrieb

daß speziell in der etwas jüngeren Generation der Herstellungsprozess einer Schallplatte fast nicht mehr bekannt ist, ja sogar im Audio-Bereich Aktive wissen heute von dem vollständigen Werdegang kaum noch etwas. Gleichgültig, ob bei der Edison-Walze (1877) oder der später von Emil Berliner (1887) erfundenen flachen Schallplatte, der Schnitt in Wachs, Gelatine oder andere Trägermaterialien erfolgte immer mit gleichbleibendem Rillenabstand durch starr mit dem Tellerantrieb gekoppelten Vortrieb des Schneidkopfes über eine Schneckenwalze. Ein Blick auf die Zeichnung des Neumann Gelatine-Schneidgerätes R 21 von 1933 zeigt das von der Zeit Edisons bis in die 50er Jahre unverändert gültige Prinzip.

Gelatine Aufnahmegerät

Gelatine Aufnahmegerät

Erst mit dem Füllschriftverfahren des genialen Erfinders Eduard Rhein (u.a. war er von 1946 bis 1964 Chefredakteur der HÖR ZU) aus dem Jahre 1950 wurde der Schreibervortrieb variabel gesteuert, was die Spieldauer einer Platte (zu der Zeit meist schon der Vinyl-LP) deutlich erhöhte. Seine Idee war, daß leise Abschnitte der Musik wegen der geringeren Rillenbreite enger nebeneinander geschnitten werden können und der Vortrieb bei lauten Passagen entsprechend erhöht werden muß. Aber dazu braucht der Steuermotor für den Vorschub vorher die Information, wann es laut wird.

M15a 3 Schnittmaschine - Foto: Thorsten Scheffner, ORGANIC Music

M15a 3 Schnittmaschine – Foto: Thorsten Scheffner, ORGANIC Music

Die Lösung: Das Mutterband wird 2 mal abgehört auf speziell ausgerüsteten Studio Bandmaschinen mit 2 Wiedergabeköpfen und einer Umlenkeinrichtung vor dem Kopfträger, die eine Bandschleife mit genau der Länge erzeugt, die der Dauer einer Umdrehung der zu schneidenden Platte entspricht. Der erste Wiedergabeweg gibt die Pegelinformationen, mit denen der Rillenabstand gesteuert wird und erst das zeitlich spätere Tonsignal wird dann dem Schneidkopf zugeführt. Diese für Folienüberspielungen ausgerüsteten Bandmaschinen sind natürlich aufwendiger in der Handhabung, Wartung und Einmessung als eine „normale“ reine Wiedergabemaschine.

M15a 3 Schnittmaschine. von oben - Foto: Thorsten Scheffner, ORGANIC Music

M15a 3 Schnittmaschine. von oben – Foto: Thorsten Scheffner, ORGANIC Music

Das brachte die meisten Überspieler dazu, das Tonsignal für den Schneidkopf einfach über eine digitale Verzögerung zu erzeugen. Ergebnis: Siehe oben, letztlich dann eine digitale LP! Die heutigen Anbieter von LP machen, wie gesagt, selten Angaben, ob es sich tatsächlich um eine in sämtlichen Produktionsschritten analoge Platte handelt. Dazu kommt, daß es konsequent analog bis zum Masterband arbeitende Tonstudios kaum noch gibt. Alle kontaktierten Schnittstudios bestätigen, die Nachfrage nach rein analogem Schnitt seitens der Plattenproduzenten ist äußerst gering. Alte Bänder berühmter Aufnahmen der großen Musiker und Firmen erfahren zudem vor einer Neupressung oft eine schreckliche „Veredelung“ durch „digital remastering“ (grausame Beispiele für solche Verstümmelung hat die Süddeutsche Zeitung selbst in Ihren CD-Serien „Große Geiger und Pianisten“ verkauft). Die Verkaufs- und Werbemaschinerie der Industrie arbeitet mit den nostalgischen Erinnerungen und Gefühlen der Käufer, die so meist über den Tisch gezogen werden. Und dann gibt es noch den Musikhörer, der sich an der Selbsttäuschung berauscht, eine CD auf Vinyl klänge „besser“ als die reine CD! Das ist physikalischer Unfug, der Folienschnitt kann nicht herbeizaubern, was die Digitaltechnik bei der Aufnahme hat verschwinden lassen. In Studio-Fachzeitschriften fand ich Berichte über Studios in USA, die noch Folien schneiden können und das laut Beschreibung mit hoher Güte… Stillschweigend wurde übergangen, daß die beschriebene Methode der digitalen Erzeugung des Schreibersignals auch dort angewandt wird. Mengen von Bandmaschinen sah man auf den Fotos… aber keine einzige mit der typischen Bandschleife für den zweiten Wiedergabeweg, der für den Schreiber gebraucht wird.

Rein analoge LP mit Aufnahmen der Funkstunde

Rein analoge LP mit Aufnahmen der Funkstunde

Die Situation für den LP-Käufer

Das alles soll den Analogfan nicht davon abhalten, auch neue Vinyl Produktionen zu erwerben und sich daran zu freuen! ES GIBT SIE JA, die echten Schätze alter Machart, nur muß man sich genau umsehen und nachfragen! Und das wirklich nachdrücklich. Ich selbst war dabei, als sogar auf einer Analog-Ausstellung eine neue LP als analog angepriesen und für viel Geld verkauft wurde, von der ich intern wusste, wie die von einem gehobenen Amateur gemachte Bandaufnahme komplett am PC überarbeitet worden ist, weil sie nicht schnittfähig war! Das wurde den Käufern natürlich verschwiegen. 2012 befaßte sich z.B auch die Zeitschrift Stereo mit den Problemen der hochqualitativen Herstellung von LP in unseren Tagen. Diese Artikel waren fachlich durchaus professionell und sachlich richtig, aber, da letztlich die Zeitschrift Teilnehmer am Wirtschaftsbetrieb Musikindustrie ist und niemand ernstlich verstört werden soll, wird dem Leser unterschlagen, daß ein Großteil der „analogen“ LP eben doch aus nicht deklariertem Hackfleisch bestehen, zahllose davon aus unappetitlichstem MP3. Von der Zeitschrift LP erhielt ich auf meine Anfrage, ob sie ihre Leser komplett aufklärt, erst gar keine Antwort, mit Hofberichterstattung lebt sich’s wohl doch besser… .

Eine wichtige Klarstellung: Meine Schilderungen beziehen sich insgesamt nur auf Musik mit natürlicher Klangerzeugung, bei elektronischer „Musik“ sieht die Sache anders aus: Hier ist wohl die Digitaltechnik im Vorteil, aber da es sich dabei nicht um Musik handelt, ist das Thema hier nicht einbezogen. In der nächsten Ausgabe der Illustrierten Funkstunde werde ich mich mit der Musik vom Elektriker intensiv befassen. Da kam es sehr gelegen, daß mir ein Freund gerade die sogenannten 4 Kriterien der elektronischen Musik von Stockhausen zusandte. Auch nach 50 Jahren ist es für einen Musiker unfaßbar, wie man Menschen, die lesen und schreiben können, derartigen Unfug 1972 in einem Hochschulvortrag vorsetzen konnte ohne einen „shitstorm“ zu erzeugen… . Mit diesem Beitrag will und kann ich die Debatte über die „bessere“ Qualität digitaler oder analoger Tontechnik nicht entscheiden, das ist hier auch nicht das Hauptthema, und die Diskussion wird bleiben. Nur mir persönlich liegt die alte Analogtechnik, mit der ich quasi aufgewachsen bin, viel näher als die neue Hackschnitzel-Errungenschaft. Es ist aber wie bei der Lasagne: Die Anteile an Hufeisen im Hackfleisch sind ja nicht gesundheitsschädlich, aber wer sie nicht mag, möchte doch informiert sein!

Betrug mit Tradition

Seit dem berühmten Stichtag des gloriosen Karajan- und Sony Auftritts 1981 bei einer Salzburger Pressekonferenz (Karajan zur Digitaltechnik: Dagegen ist alles andere wie Gasbeleuchtung) hat die Fama der so unvergleichlich tollen Digitaltechnik viele Tonleute mit der wirtschaftlichen Daumenschraube mehr oder weniger zum Betrug gezwungen!

Eine reine Analoge Produktion in der Funkstunde "Enikö Bors spielt Haydn"

Eine reine Analoge Produktion in der Funkstunde „Enikö Bors spielt Haydn“

Die Industriewerbung und ihre willigen Trittbrettfahrer bei der „Fach“-Presse haben ganze Arbeit geleistet! Über Nacht musste für die meisten Journalisten, Musiker und Käufer von LP oder CD alles digital sein. Ich erinnere mich noch an die naseweise Frage eines sehr jugendlichen Trompeters, der wohl meinte, etwas Wichtiges aufgeschnappt zu haben: Nehmen Sie auf MAZ auf? Zu der Zeit gab es für private Studios eigentlich nur die digitale Aufnahme mit dem beta-Videorecorder SL-F1. Das Problem: Kaum ein privates Studio konnte zu der Zeit digital schneiden, Computerschnitt gab es noch nicht und die Schnitteinrichtung von Sony, bestehend aus 3 großen U-matic Recordern und einem Steuerpult war derartig teuer, daß nur wenige große Firmen so etwas kaufen konnten. Was tat also die Mehrheit der kleineren Studios: Dem Auftraggeber das kleine Videogerät während der Produktion vorzeigen und damit die Aufnahme machen. Nach den Details der hinterher erforderlichen Bearbeitung im Studio fragte niemand. Daß digitales Material in den 80-ern eigentlich nur im Ausnahmefall mit riesigem technischen und finanziellem Aufwand digital zu schneiden war und geschnitten wurde, wußten die Musiker nicht. Zu Hause angekommen, spielte man das Digitalband einfach auf die klassische analoge Telefunken Bandmaschine M10 um, oft mit telcom, und alles wurde wie bisher analog fertiggestellt. Auf der Platte oder CD stand dann aber pflichtschuldigst „digital recording“ oder DDD! Heute ist es umgekehrt: Dem Käufer wird stillschweigend eine „analoge“ LP angedreht, die meist aus Hackfleisch besteht, u.a. deshalb, weil es jetzt teuer ist, analog zu produzieren… und die entsprechende Sachkenntnis selten geworden ist. Vielen Dank an geduldige und hilfsbereite Gesprächspartner, u.a an die Herren Krieger von SST Frankfurt, Maillard von den Berliner Meisterschallplatten, Koschnicke von ACOUSENCE, Kauffelt von Schnittstelle Frankfurt, Scheffner von ORGANIC Music

Stationen eines Mischpultes

Nur rund 20 Jahre währte die Ära der großen stereo Ton-Mischpulte in analoger Röhrentechnik mit ihrer unerreichten Klangqualität beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ganz grob etwa von 1960-1980. Grundsätzlich gab es natürlich auch vorher, spätestens seit der Einführung der V 41-Technik um 1939, eine sehr hohe und mit der V 72 Technik vergleichbare Übertragungsqualität der Regieeinrichtungen der Funkhäuser, aber die Anforderungen an die Schalt-, Regel-, Misch- und Entzerrungsmöglichkeiten sowie an die Zahl der Mikrofonwege waren sehr bescheiden im Vergleich zur Stereozeit.

erstes Stereopult SFB

erstes Stereopult SFB

Erste Stereopulte waren noch in etwas experimenteller Art gebaut wie hier z.B. ein Exemplar beim SFB. Die Toningenieure sammelten aber schnell Erfahrungen, zunächst lag das konzeptionelle Schwergewicht mit Blick auf den Mono-Hörer mit seinem Henkelmann auf der M-S Technik, schnell wurde sie von L-R Technik abgelöst, die Stabilität der Kanaltrennung blieb bei M-S Anlagen immer ein kleines Problem. Nun zu einem der wenigen großen Telefunken Pulte der Stereozeit, mit denen ich als Musiker und Technikfan von 1970 bis zu seinem traurigen Ende zu tun hatte: Die Anlage in der Regie des großen Sendesaales des NDR Hannover.

Erste Station: Ein Werbefoto von Telefunken in den Rundfunktechnischen Mitteilungen von 1968. Dann das bekannte Foto der Anlage im NDR Studio aus dem Handbuch zum Klein und Hummel Lautsprecher OX mit den Herren Lepski und Staude am Pult.

Telefunken Pult (Hermann Hoffman)

Telefunken Pult (Hermann Hoffman)

Klein und Hummel (K & H) Studiolautsprecher OX im Regieraum Großer Sendesaal des NDR Hannover, am Pult Toning. Kurt Lepski und Tonmeister Hans Staude.

Klein und Hummel (K & H) Studiolautsprecher OX im Regieraum Großer Sendesaal des NDR Hannover, am Pult Toning. Kurt Lepski und Tonmeister Hans Staude.

Blick über das Pult auf das Rundfunk Orchester Hannover mit Ton Ing. Otto Drechsler

Blick über das Pult auf das Rundfunk Orchester Hannover mit Ton Ing. Otto Drechsler

Ein besonders gutes Bild mit Blick auf das Rundfunkorchester des NDR Hannover zeigt den Toningenieur Otto Drechsler. Einige der Musikerkollegen auf dem Bild sind mir gut bekannt, ich hatte 1970 die Freude, über ein Jahr in dem Orchester Konzertmeister zu sein.

Willi Steiner

Willi Steiner

Und zwar unter dem fabelhaften Chefdirigenten Willi Steiner. Was ich damals noch nicht wusste: Steiner war einer der meistbeschäftigten Musiker bei der …FUNKSTUNDE! Sei es mit seinen Musikerbrüdern als Kapelle Gebrüder Steiner, als Dirigent oder als Geiger! Und so kam es, daß ich genau über dieses Pult zusammen mit einem echten Funkstundler viel Musik aufgenommen habe. Und eines bleibt mir völlig unvergessen: In einer persönlichen Problemsituation, wo ich Hilfe gesucht habe, hat sich Willi Steiner als eine Ausnahmepersönlichkeit erwiesen und eine große Haltung gezeigt, die mich heute noch bewegt! Dem „Fortschritt“ beim Rundfunk fiel das Pult um 1977 zum Opfer, aber es bekam einen Ehrenplatz bei seinem prominenten neuen Besitzer: Hermann Hoffmann!

Hermann Hoffmann und die „gelbe Gefahr“

Hermann Hoffmann

Hermann Hoffmann

Mein Jugendfreunde-Quartett bestand nur aus angehenden Amateurfunkern, besser gesagt zunächst nur Funkbastlern, denn wir waren noch keine 18 Jahre alt und vorher konnte man diePrüfung bei der Post nicht ablegen. Da alles verjährt ist, hier das Geständnis: Natürlich haben wir kleine Sender gebaut und waren stolz, wenn im näheren Umkreis unser „Programm“ im Radio zu hören war! Doch es drohte immer die „gelbe Gefahr“, das waren die Funkmeß- und Peilwagen der Post. Mindestens einer von uns schob aber am Fenster Wache: Falls so ein „Post“- gelber VW-Bus mit Antennengeweih auf dem Dach auftauchen sollte, ging eine Warnung an alle und dann schnell: Stecker raus! Umso mehr haben wir staunend verfolgt, daß es einem anderen mutigen Funker und Musiker wohl gelungen war, über längere Zeit ein privates Programm zu senden ohne von der gelben Gefahr geortet worden zu sein.

Hermann Hoffmann mit Vollmer Magnetton 8-Spur Bandmaschine

Hermann Hoffmann mit Vollmer Magnetton 8-Spur Bandmaschine

Wir hatten in Hermann Hoffmann (1928-1997) unseren Meister gefunden und ihn gehörig bewundert! Und mit großem Mitgefühl und Bedauern hörten wir dann später vom vorläufigen Ende seines „Senders Zitrone“. Wenige Jahre später machten wir 4 die Amateurfunkprüfung und Schwarzsenden mit einer Art Rundfunkprogramm hatte sich völlig erledigt. Nicht so bei Hermann Hoffmann. Er legte schon damals eine Karriere hin, wie man es in Einzelfällen heute auf einer anderen Basis über das Internet manchmal erlebt. Ein Künstler wird vom Funk oder der Plattenindustrie nicht entdeckt oder direkt abgewiesen, also stellt er in Eigenregie seine Darbietung ins Netz, für Hermann Hoffmann war das damals noch nicht existierende Internet eben sein illegaler Sender. Manchmal haben die neuen Wege, sich in Eigenregie zu präsentieren, Erfolg, die Industrie wird aufmerksam und bietet dem Musiker die große Chance. Bei Hermann Hoffmann war es der (öffentliche) Rundfunk, der die geniale Begabung des Entertainers erkannte und ihm das verdiente Podium bot.

hier das Intro des Senders Zitrone:   
Hermann Hoffmann mit Vollmer Magnetton 8-Spur Bandmaschine

Hermann Hoffmann mit Vollmer Magnetton 8-Spur Bandmaschine

1962 begann beim WDR seine Sendreihe der „Dachkammer-Musik“, er produzierte über 670 der 15-minütigen Sendungen bis in die 80er Jahre in seinem Studio in Burgdorf bei Celle. Weitere Sendungen waren: „Unterhaltung am Wochenende“ und „Hier Sender Zitrone“. Es lohnt sich für jüngere Hörer der heute oft so läppischen „Comedy“ unbedingt, einmal nachzuhören, was Hoffmann da geleistet hat! Die Musik war selbst komponiert und gespielt, dazu hat er gesungen und seine Texte mit mehreren Stimmen und Dialekten gesprochen! Alles allein in seiner „Dachkammer“ und ohne Computer, nur mit analogen Mehrspurgeräten, u.a. einer Vollmer 8-Spur Maschine (siehe Foto) Außer den genannten Produktionen hat er viele weitere Sendungen gestaltet, alles nachzulesen- und zu hören auf der Website www.sender-zitrone.de.

Hermann Hoffmann, NDR Pult am Kran

Hermann Hoffmann, NDR Pult am Kran

Dort findet sich die Adresse des Freundeskreises Hermann Hoffmanns Sender Zitrone e.V, der auch den akustischen Nachlaß, soweit möglich, sammelt und sichert.

Zurück zu seinem NDR Pult: Es war für einen „normalen“ Transport in HH’s Dachkammer zu sperrig, also wurde 1977 ein großes Loch in die Außenwand seines Hauses in Burgdorf bei Hannover geschlagen und ein Kran hievte das Pult von außen ins Studio.Bis 1984 blieb es in Betrieb, dann wurde die Wartung der alten Technik für HH zu aufwendig. Er bekam modernere Transistortechnik. Das Haus nochmals aufbrechen wollte er nicht, also wurde das Pult traurigerweise mit der Flex in containertaugliche Stücke zerlegt. An diesem Tage war ich in seiner Dachkammer dabei und musste alles mit ansehen. Aber viele Geräte aus seiner Anlage wanderten in unser Funkstunden-Pult und machen hier weiter Musik, und sogar sein Handbuch mit technischen Unterlagen ziehen wir immer wieder zu Rat. Wir danken Frau Renate Hoffmann und dem Freundeskreis für die Breitstellung von Unterlagen und die Erlaubnis zur Reproduktion.

Eine Studentin der Museologie auf dem Weg zur FUNKSTUDE

An einem schönen Julitag, wir veranstalteten gerade unser Sommerfest, erschienen Susanne und Robert bei uns. Sie waren aus Leipzig und Waltershofen angereist, hatten von unserer FUNKSTUNDE gehört und wollten sich die Sache einmal genauer ansehen. Sie wurden gerne aufgenommen, entpuppten sich als interessierte Gesprächspartner in Sachen alter Technik. Ihre Vorliebe galt allerdings nicht so sehr der historischen Studiotechnik, sondern bezog sich auf Radios, speziell denen aus der DDR, verbrachten die Beiden doch dort die meiste Zeit ihres jungen Lebens. Nun liegt der Schwerpunkt unserer FUNKSTUNDE nicht unbedingt im Sammeln von historischen Radiogeräten, obwohl wir auch ein paar wenige Exemplare in der Vitrine haben. – Wir diskutierten weiter, zu vorgerückter Stunde stellte sich nun die Frage nach einer Unterkunft für Susanne und Robert. Unser Haus war komplett belegt, sogar im Dachstübchen stapelten sich die Gäste. Was tun? Wir redeten weiter und erfuhren, dass Susanne den Studiengang Museologie an der HTWK in Leipzig belegt hatte und sich auf eine Prüfungsarbeit vorbereitete. Ihr Freund Robert ist im beruflichen Leben Computerfachmann, im Herzen jedoch ein Fan und Sammler von antiken DDR – Radios. Was lag da näher, als sich zusammenzutun: Susanne beschreibt in ihrer Arbeit den Zeitgeist jener vergangenen Jahre und Robert stellt die schönsten Stücke aus seiner Sammlung zur Verfügung. Herausgekommen ist die Ausstellung RadioStationen.

Das Pult der Funkstunde... "NUR EINS KAM DURCH..."

Das Pult der Funkstunde… „NUR EINS KAM DURCH…“

Einen Eindruck davon können Sie hier bekommen.

Der Abend bei uns endete so: Susanne und Robert holten ihre Schlafsäcke aus dem Auto und verschwanden in der Studio – Regie hinterm Pult.

Wir hoffen, sie hatten eine gute Nacht.

 
Ausstellungsplakat

Ausstellungsplakat

Susannes Bericht

Am 29. Mai 2012 öffnete die kleine Ausstellung RadioStationen – Von Radios in der DDR – ihre Türen. Im Rahmen einer Prüfungsleistung des Studienganges Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) ließen vier Studenten das Radiowesen der DDR aufleben. Im Blickpunkt der Ausstellung stand das Radioempfangsgerät als solches und die Stationen, die es in seinem Leben durchlaufen konnte.

Station 1, Der Betrieb

Station 1, Der Betrieb

Diese Bereiche zeigten, unter welchen Gesichtspunkten die Geräte gestaltet und hergestellt wurden, wie sie im Alltag genutzt wurden, welches Zubehör mit ihnen in Verbindung stand und zu guter Letzt, was mit ihnen passierte, wenn sie einmal kaputt gingen. Die erste Station „Der Betrieb“ fokussierte vorrangig die Gestaltung von Formen und Verwendung von Materialien im Wandel der Zeit von den 1950er bis 1980er Jahren, dargestellt von je zwei prägnanten Vertretern.

Station 2, Zuhause

Station 2, Zuhause

Das Design ist in der DDR Staatsaufgabe und untersteht klaren Vorgaben. „Formgestalter“ arbeiten in Kollektiven und sind den Betrieben zugeteilt. Auswahl billiger Materialien ist bestimmt durch Ressourcenknappheit und Mangelwirtschaft. Dominiert in den 50er Jahren noch eine rückwärtsgewandte, möbelartige Form mit Holzverkleidung und abgerundeten Ecken, so entwickelt sich in den 60er Jahren eine klare sachliche Linie im Baukastenprinzip. Duro- und Thermoplasten sind die neuen Materialien, die sich hervorragend für die Serienproduktion eignen. Mit der Weiterentwicklung der Technik von Röhren zu Transistoren, gelingt es in den 70er Jahren, die Geräte immer kleiner werden zu lassen. Der Trend der 80er Jahre ist die Hi-Fi-Komponentenanlage mit Gehäuse aus Metall. „Zuhause und unterwegs“ war das maßgebliche Thema der zweiten Station. In dieser wurde der Alltag mit den Geräten gezeigt. Radios sind in der DDR keine Mangelware. Trotzdem gehören sie zu den Luxusgütern und sind dementsprechend teuer, was anhand von Kaufbelegen und Originalkartons dargestellt wurde. In der Regel gestaltet es sich schwierig, ein bestimmtes Modell zu erlangen. Auch wenn in Zeitschriften für bestimmte Geräte geworben wird, ist dies keine Garantie für den Erwerb. Radios und ihre Zusatzgeräte prägen die Wohnungseinrichtung. So gibt es Spannungsregler für die älteren Modelle, um bei Stromschwankungen auszugleichen, oder externe Lautsprecherboxen für den Stereo-Effekt. Außerdem gehören Radios zur Freizeitgestaltung.

Hörstation

Hörstation

Kleine handliche, tragbare Geräte können mittels Griffen oder zugehörigen Tragetaschen im Garten, im Park oder auf dem Campingplatz genutzt werden. Zum Verweilen lud eine Hörstation ein, in der die Besucher Ausschnitten aus Interviews lauschen konnten. Zeitzeugen äußerten sich, in Erinnerungen schwelgend, über ihr erstes Radiogerät, ihre Lieblingssender, heimlich gehörte Westsender und besonders wichtig: das Mitschneiden. Historische Fotos, die den Alltag mit den Geräten zeigen – ob in der Schrankwand oder auf der Wiese – runden die Erinnerungsecke ab. Die Nostalgie blieb dabei nicht auf der Strecke. So einiges „Ah!“ und „Oh!“ und „Das hatten wir auch!“ war von den Besuchern zu vernehmen.

Station 3, Die Werkstatt

Station 3, Die Werkstatt

Die dritte Station „Die Werkstatt“ hätte genauso gut „Der Radiobastler“ heißen können. Nicht selten kommt es vor, dass ein Radiogerät kaputt geht. Aufgrund der hohen Preise ist eine Reparatur immer lohnend und es findet sich jederzeit jemand, der über die nötigen Fertigkeiten verfügt. Ausgestellt waren sowohl Schaltpläne, die mit den Geräten geliefert (Bild „Station 3, Die Werkstatt“) wurde bzw. auf älteren Modellen auf der Rückseite gezeichnet waren, Fachbücher für jugendliche Bastler und fortgeschrittene Hobbytechniker und einige Beispiele für Ersatzteile und Werkzeuge. Nebenbei wurde mittels geöffneter Geräte der Unterschied zwischen Röhren- und Transistortechnik erklärt. Die Ausstellung war eine Woche lang in den Räumlichkeiten der HTWK zu sehen. Dank reger Anteilnahme von Verwandten und Freunden der Studenten konnte eine großartige, differenzierte Zusammenstellung von Radiogeräten, Zubehör, Ersatzteilen, Zeitschriften und Büchern, aber auch Fotos ermöglicht werden.

Man kann sagen, dass die Ausstellung „RadioStationen“ eine nächste, eine vierte Station darstellt, nämlich das Radio als Nostalgieobjekt und Museumsgut. Denn auch wenn die DDR- Radiogeräte kaum noch in ihrer ursprünglichen Funktion Verwendung finden, so gibt es doch eine reichliche Anzahl an Sammlern oder Technikmuseen, die sich ihrer annehmen und ihre Existenz wahren.

Zum Gedenken

Jede Vereinigung hat auch große Verluste zu vermelden.

Karin Mohn

Karin Mohn

Im Oktober 2012 verstarb unser Mitglied Karin Mohn, die ihre schwere Erkrankung mit großer Haltung und eigentlich auch Hoffnung ertragen hat. Sie saß bei unseren regelmäßigen Runden stets als eine der ersten im Cafè der Funkstunde. Auf Fragen nach ihrer Gesundheit kam immer die Antwort: Ach, es wird schon. Wir denken gerne an ihre liebenwerte Art und den norddeutschen Tonfall, der hier in Penzing ja selten zu hören ist.

 

 

Ralph - Dieter Fuhrmann

Ralph – Dieter Fuhrmann

Unser Freund und Förderer Ralph – Dieter Fuhrmann ist im September 2013 verstorben. Man könnte über ihn sagen, dass er sich selbst zu einem freien Mitarbeiter des Rundfunks gemacht hat. Per Telefon oder Brief äußerte er seine Zustimmung oder Ablehnung bei den Machern des Rundfunks deutlich. Was er sagte, hatte Hand und Fuß. Und z. B. der Deutschlandfunk ließ ihn sofort auf Sendung, wenn es Diskussionsrunden im Radio gab.

Für uns ist aber seine erstaunliche Leistung von größter Bedeutung, er hat bei der Auflösung des Hamburger IRT – Institut für Rundfunktechnik – alle historischen Unterlagen seit 1930 vor der Verschrottung bewahrt und der FUNKSTUNDE übergeben. Einer unserer unerfüllten Reiseträume war und ist Libyen, ein Besuch ist heute zu gefährlich.

Aber Ralph – Dieter Fuhrmann hat vor Jahrzehnten das Land intensiv bereist und dort beruflich Funkanlagen gebaut. Seine Berichte haben wir in seinem Haus, in dem man in jeder Ecke den Radiotechniker und – freund nicht übersehen konnte, bei Kaffee und Kuchen verschlungen. Vielleicht hört er ja von seiner Wolke aus die FUNKSTUNDE.

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Verantwortlich für diese Ausgabe der Illustrierten Funkstunde ist Johannes Brüning, Adresse der Funkstunde.