Meine Stereoanlage Anno 1966
Wie war das mit der ersten Freundin… ach, laßen wir`s und besehen lieber meine erste Stereoanlage, DIE habe ich noch! Stereoverstärker Röhrenverstärker VS 71 VS71 Röhren Tuner FM-SX Probe des Stuttgarter Kammerorchesters mit Karl Münchinger an einem Sommertag 1966 im alten Waisenhaus am Charlottenplatz – Pausengestaltung wie schon zur Tradition geworden, ein Kurzausflug ins Cafe Sommer im gleichen historischen Gebäude. Bei Herrentorte und einer Tasse des schon von Bach besungenen Getränks blätterte ich so ganz nebenbei im Anzeigenteil der Stuttgarter Zeitung, der Blick fiel zufällig (zufällig?) auf diese Anzeige: Stereoanlage Klein und Hummel zu verkaufen, bestehend aus Lautsprechern OX, Verstärker VS 71, Empfänger FM-SX und Plattenspieler Thorens TD 124.Stereoverstärker Röhrenverstärker VS 71 VS71 Röhren Tuner FM-SX
Der Preis verursachte damals erst einmal einen Schreck, er entsprach etwa 3 Monatsgehältern, aber meine Sparkaße gab per Telefon sofort grünes Licht!
Auf zum Verkäufer, eine sehr noble Adreße: Galerie Freerk C. Valentien im Königsbau. Und der Kauf hat nicht nur mich begeistert, Herrn Dr. Valentien kam der Erlös aus der Anlage auch sehr gelegen, wie er mir kürzlich anvertraute. Für ihn ging es um einen Hauskauf, und zwar um das Leonberger Haus des Kunsthistorikers und Galeristen Herbert Herrmann, zu deßen Inventar die Klein und Hummels gehörten.
Von seinem Arzt erhielt Herr Herrmann 1965 die schlimme Nachricht, daß er wegen einer schweren Erkrankung nur noch eine Lebenserwartung von etwa einem Jahr hätte. Daraufhin beschloß er, sich für seine verbleibende Zeit auf Erden die beste damals verfügbare Stereoanlage zu kaufen und so viel Zeit wie möglich mit seiner Musik zu verbringen. Und tatsächlich hat er sich noch etwa 1 Jahr an allem erfreuen können!
Bis heute hat sich an der äußersten Wertschätzung dieser Geräte bei mir nichts geändert, zu technischen Details komme ich etwas später. übrigens ist eine Hörprobe bei mir immer noch jederzeit möglich.
Im Rückblick heute begann mit der Anlage eine Geschichte, deren vielfältige Bezüge und Querverbindungen es mir schwer machen, alles nur als „Zufall“ zu sehen!
Es fing damit an, dass meine liebe Vermieterin Elfriede Lesch in Stuttgart bei der Vorstellung meines neuen „Mobiliars“ ausrief: Der Horscht (Horst Klein, Mitgründer von K&H) war mein Klassenkamerad! Richard Lesch, ihr Mann, der unvergessene Cellist und Posaunist, war „natürlich“ im Rundfunkorchester des SDR. Wieviele lange Abende spielten wir eine Etage über meinem Zimmer mit ihm und den hochbefähigten fidelnden ärzten Dr. Lambeck und Dr. Gudwinski ganze Serien der großen Streichquartette!
Beim SDR Stuttgart nahm ich mit dem Rundfunkorchester unter der Leitung von Willi Mattes die American Concertette für Viola und Band von Morton Gould auf, wer saß an der Posaune… Richard Lesch. Und wie wurde das Band (goldene Zeiten!) mit der brillanten Aufnahme von Toningenieur Hugo Herold in der Regie abgehört? Natürlich mit 2 Lautsprechern OX, wie sie gerade auch bei mir privat gelandet waren! Zu der Zeit waren beim SDR noch die Vollmer Bandmaschinen Typ 204 im Einsatz, allerdings verging KEINE Aufnahme ohne einen Ausfall an einer der Vollmers… ein Mitwirkender im weißen Kittel und mit Werkzeug in der Hand gehörte einfach immer dazu. Meine eigene etwas später von Herrn Vollmer aus Plochingen erworbene Bandmaschine Typ 166 war zwar teuer, hat aber auch NIE richtig funktioniert… Warum sollte es mir besser gehen als dem SDR? Aber Eberhard Vollmer gehört zur Rundfunkgeschichte und seine Geräte finden sich auch im Museumsbestand der Funkstunde.
Thema Rundfunk hier schon wieder: Wir waren dabei, mit unversiegender Begeisterung; in jenen Jahren kein Gedanke daran, dass diese Welt einmal restlos verschwinden könnte. So kam man, ich muß es immer wieder feststellen, leider nicht auf die Idee, so viel als möglich aus dieser Zeit zu dokumentieren. Erst viel später in der trostlosen Umgebung der „Nebenbeimedien“ belebten wir die Bemühungen um die Geschichte im Rahmen unserer wiedergegründeten Funkstunde mit Nachdruck.
Und jetzt ein Sprung zurück ins eingangs zitierte Cafe Sommer: Erst vor etwa einem Jahr erfuhr ich, daß genau in den Räumen des Cafes und im Bereich des Probenraums des Stuttgarter Kammorchesters das erste Funkhaus des Süddeutschen Rundfunks beheimatet war, was ich damals überhaupt nicht ahnte.
Das waren also unbewußt 6 Berufsjahre auf sehr rundfunkhistorischem Boden.
Nun etwas zur Technik der fast 50 Jahre alten Anlage. Sie ist und bleibt für mich das Maß der Dinge außerhalb des Studios, das ganz anders ausgestattet ist, was nicht heißen soll, beßer. In Gesprächen oder Foren sind immer wieder auch kritische Beurteilungen über die OX zu hören, aber es fehlt den Betreibern heute einfach einiges an Wißen und Erfahrung, um die Lautsprecher optimal zu erleben. Zuerst ist die Einmeßung auf den Abhörraum mit den gegebenen Reglern nicht ganz einfach. Und dann habe ich nach der langen Betriebszeit vor ein paar Jahren doch erkennen müßen, daß etwas nicht mehr ganz stimmte mit dem Klang. Eine Nachmeßung des Frequenzgangs ergab eine deutliche Senke in den oberen Mitten, die einfach mit „Bordmitteln“ des OX nicht mehr so einstellbar war, wie es der Sollkurve entsprach.
Nach längerer Suche stellte sich heraus, es waren die im Originalzustand eingebauten Mitteltontreiber T 25 A, die innerhalb ihres übertragungsbereiches einen deutlichen Höhenabfall aufwiesen, mir bleibt nur die Erklärung, daß die Membranen verhärtet waren und dadurch die Veränderung entstand. Als Nachfolger habe ich mit Beratung durch Electro Voice neuere Mitteltontreiber Typ 1828c eingebaut (paßen direkt auf das vorhandene Horn 8-HD), damit war alles wieder „gerade“.
Für den Rundfunk war der OX wie üblich als aktiver Lautsprecher ausgerüstet mit dem Röhren Einschub-Endverstärker V 30. Der bekannte Otto Diciol, Verfaßer des Klaßikers „Niederfrequenz Praktikum“, bescheinigte in der Funkschau 1963 Heft 2 dem V 30 eine hohe und voll für Rundfunkanwendung geeignete Qualität.
Der V 30 hat für den Einsatz im Lautsprecher OX eine zuschaltbare Tiefenanhebung von etwa 6 dB zwischen 30 und 250 Hz. Diese Entzerrung ist beim VS 71, deßen Endstufen ansonsten praktisch schaltungs- und leistungsgleich sind, nicht vorgesehen, so daß die Ansteuerung der OX mit einem VS 71 je nach Raum im Bereich der Tiefen ein kleiner Kompromiß bleibt, denn die „Kuhschwanz“-Anhebung der Tiefen im VS 71 führt nicht ganz zum idealen Ergebnis, ist aber akzeptabel! Natürlich kamen etwas später auch 2 V 30 ins Haus, zeitweilig war die Anlage dann mit einem ßV Vorverstärker und den V 30 im Betrieb.
Beim V 30 stören bei einigen Exemplaren, verursacht durch Streuungen in der Transformatorenherstellung, geringe Brummprobleme, die sich auch durch die beste Siebung und die im Laufe der Serie ab Werk-Nr. 700 eingeführte Gleichstromheizung der Vorstufe nicht beseitigen laßen. Wieder hat diese Fehlersuche etwas gedauert, aber auf Anfrage verrate ich das Geheimnis… Und noch ein Tip: Der Eingangsübertrager des V 30 ist bei vielen Verstärker- Exemplaren defekt, er trägt die Bezeichnung V 442, ist aber elektrisch völlig baugleich mit dem T 179/1 aus dem TAB V 74/ V 74a… und die mechanische Bauform des V 442 wird noch heute nach 50 Jahren von Helmut Haufe in Usingen auf Bestellung gefertigt! Unglaublich in unserer Wegwerf-Zeit.
Zum Empfangsteil FM-SX ist nicht viel zu sagen. Es ist ja ein amerikanischer Dynaco Bausatz, von K&H profeßionell zusammengesetzt und in ein bis heute zeitlos schönes Gehäuse verpackt. Es gab 3 Ausführungen: Mit originalem Röhren-Stereodecoder, mit K&H-eigenem Transistor-Decoder ohne und später mit Pilottonfilter. Schade, daß wohl dieser Empfänger als erster Bestandteil der Anlage in die Museumsvitrine wandern muß, wenn die unsinnige Idee der EU, alle analogen UKW-Sender abzuschalten, verwirklicht werden sollte! Aber für`s inzwischen ordentlich nach Generalplan auf das widerspruchslose Freßen von Klangmüll konditionierte Volk reicht ja „Nebenbeimusik“ im MP3 „Format“! Wie sagte kürzlich ein Rockmusiker: Das ist die einzige Industrie, deren Erzeugniße immer schlechter werden! Neil Young drückte es noch klarer aus: CD ist Betrug!
Wie gut, daß es sich politischer Willkür entzieht, die gute alte LP oder Tonbänder zu verbieten. Und überall entstehen bei Fans kleine Inseln, auf denen die analoge Zeit weiterlebt. Nur so hat die etwas jüngere Generation noch die Chance, den verlorenen Klang der Vergangenheit zu erleben. Und bei mir steht dazu für den großen Plattenschatz seit den besagten Stuttgarter Jahren der Thorens TD 124 II mit einem Ortofon System SPU! Ja, das gab es vor fast 50 Jahren schon.
Danken möchte ich Herrn Dr. Jörg Hucklenbroich für die historischen Fotos vom alten Waisenhaus und Frau Cäsarina Maisch, die sich auch nach langer Zeit noch an den Vornamen Hugo des Tonmeisters Herold erinnern konnte, mir war er entfallen.