………NACH NEUESTEN DATENBANKAUSZÜGEN….

Anmerkungen zum Verstärker V72

Es begann mit Hinrich Hinrichs und seinem Gedicht „Dir“: In der Vertonung von Rudi Stephan (siehe Funkstunden-Seite) hatte ich es vor rund 20 Jahren auf eine Schallplatte gebracht. Zum Textdichter Hinrich Hinrichs war leider im Begleittext nichts zu sagen, er war (und ist) bis heute unbekannt, nicht einmal seine Lebensdaten kennt man. Es ist wohl davon auszugehen, daß er Zeitgenosse  Stephans war, vielleicht sogar um unbekannte Jahre jünger. Nur der Ruf nach dem Geld machte es möglich, scheinbar endlich mehr über Hinrichs zu erfahren, denn zu meinem  Erstaunen rechnete die GEMA Lizenzgebühren für das Gedicht ab.

Der entscheidende Nachsatz auf der Rechnung: Nach neuesten…..usw., siehe Überschrift, ist der Dichter GEMA-pflichtig! Sollte der GEMA gelungen sein, was der Musik-und Literaturwissenschaft bisher versagt blieb? Ich glaubte das einfach nicht und verweigerte die Lizenzzahlung. Meine Überlegung: Da es jetzt ja zu einem Prozess kommen würde, erführe ich endlich etwas über den Dichter, DAS war mir die Gerichtskosten allemal wert! Was passieren würde, war mir aber trotz kurz aufkeimender Hoffnung klar, und so kam es auch: Mit einer Postkarte erhielt ich die Mitteilung der GEMA, dass sie ihren Anspruch zurückziehe! Eine Entschuldigung las ich nicht, denn immerhin war das Ganze in meinen Augen ja ein computer-vorgeschützter Betrugsversuch!

V72-Labormuster

V72-Labormuster

Lange Vorrede: leider haben sich DER PC, DAS Internet, Google, WIKIPEDIA usw. vielfach zu einer nicht überprüften Respektsinstitution entwickelt. Mit Verweis auf diese Quellen oder mit dem pauschalen Satz „nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen“ lassen sich unselbständige Mitmenschen leicht überfahren, den täglichen Missbrauch nach diesem Muster in Politik und Wirtschaft schätze ich NOCH höher ein, als wir uns das vorstellen können. Nun zu „unserem“ berühmten V72! Tagtäglich liest man fehlerhafte Beschreibungen und Angaben über das Gerät im „NETZ“, und einer schreibt’s vom anderen ab. Ob in Angeboten bei ebay oder auf Homepages von selbsternannten Experten, durch die ständige Wiederholung wird es nicht richtiger. Hier deshalb ein paar Korrekturen zu dem Thema.

Im Jahre 1951 stellte H. Heyer von der Zentraltechnik des NWDR den neuen V72 ausführlich vor, mit Darstellung der Entwicklungswege von der Gestelltechnik mit V41 und V42 zum neuen Einheitsverstärker, der aufgrund seiner Ausmaße die angestrebte gestellose Technik ermöglichen sollte.

V72-Labormuster-komplett

V72-Labormuster-komplett

Weil in diesem Zusammenhang erwähnt wird, dass es den Schaltungsentwurf wahlweise mit den Röhren EF 40 und EF 804 s gab, geistert die Angabe herum, die erste Serie wäre mit EF 40 bestückt gewesen. Das ist nach allen mir zur Verfügung stehenden Quellen falsch. Es kann sich höchstens um einige Labormuster gehandelt haben, die beim NWDR für Erprobungs- und Messzwecke gebaut wurden. Möglicherweise waren da auch wenige mit der EF 40 bestückte Geräte dabei. Ebenfalls ist eine oft zitierte erste Serie aus der Herstellung des NWDR nicht belegbar, ein solches Gerät ist mir in 50 Jahren nicht begegnet.  Die Serienfertigung lag m.W. nach der Erprobung sofort bei der Firma Maihak.

Diese Serie von Maihak umfasste 600 Geräte V72 (nicht 300, wie immer wieder falsch angegeben wird), alle mit der EF 804s bestückt. Im Besitz der Funkstunde befinden sich etwa 15 Exemplare des V72 der Fertigung Maihak mit weit verteilten unterschiedlichen Werknummern bis etwa 500. Bekannt sind mir baugleiche Stücke ab etwa Nr. 20. Mit Schreiben vom 15.9.1954 des NWDR bestätigt Herr Doktor Schadwinkel der Fa. Maihak die mit ihr für viele der Vorgänger-Geräte des V72 und den V72 bestehenden Lizenzverträge. Aus dem gleichen Brief geht weiter hervor, daß Siemens für seine anlaufende Fertigung des V72 Änderungsvorschläge gemacht hat, die der NWDR aus rechtlichen Gründen nicht an Maihak weitergeben könne.

Einer der vielen V72 der Funkstunde WN:393

Einer der vielen V72 der Funkstunde WN:393

Diese Einschränkung habe man Maihak schon am 19.1.1953 mitgeteilt. Wie es zur Einstellung der Serie bei Maihak kam, ist mir nicht bekannt. Denkbar wäre, dass die hohen Stückzahlen, die nach der Einführung des V72 gebraucht wurden, von Maihak nicht zu leisten waren. Auf der Braunbuchbeschreibung vom 15.12.1953 ist bereits ein Foto der Ausführung von Siemens, und zwar schon mit einer Werknummer über 1000. Bei Siemens wurden dann ca. 13500  Exemplare gebaut. Die 1954 mit wenigen Schaltungsänderungen verwirklichte Abwandlung zum Kommando-Mikrofonverstärker V78 lag von Beginn an bei Siemens.