TATORT, SOKO, KOMMIßAR, und noch mehr Tote…

Eine Drehbuchregel besagt, daß die erste Leiche nach 1:30 Minuten den Krimi „beleben“ muß, sonst dämmert das Intereße des Zuschauers dahin… Die Filmleute der letzten 10-20 Jahre haben diese Regel kaum noch gebraucht, fast immer erscheint vollautomatisch bei ihren Meisterwerken die erste Tote von der ersten Sekunde an, unüberseh… nein unüberHöRBAR! Es ist die „Musik“, jedenfalls das, was man uns unverschämterweise als solche verkaufen zu können glaubt!
Filmkomponist Theo Mackeben

Filmkomponist Theo Mackeben

Da kloppen Nichtmusiker, ehrlicherweise neuerdings oft auch nur noch als „Sounddesigner“ im Abspann genannt, das ödeste Computer-Tongedröhn in ihre Alleinunterhalter-Keyboards. In der NDR Hauszeitung wurde das Thema unter dem Titel „Musik zum Abschalten?“ jüngst angesprochen, natürlich hübsch „ausgewogen“ und in diplomatischer Verdünnung. Die Leser wurden aufgefordert, ihre Meinung zu sagen, das tat ich, erhielt selbstverständlich nicht einmal eine Antwort, vielleicht war meine Ausdrucksweise zu ungehobelt… Dazu zitierte schon der wirkliche Filmmusiker Alois Melichar Heinrich Heine:

Doch die Kastraten klagten, als ich meine Stimme erhob; Sie klagten und sie sagten: Ich sänge viel zu grob.

Hier also der Inhalt meiner Antwort zur Film“musik“ unserer Tage:
Walter Gronostay, Bekannter Filmkomponist

Walter Gronostay, Bekannter Filmkomponist

Sehr geehrter Herr Patzwahl, Musik zum Abschalten? Das beschreibt die Situation des größten Teils der heutigen Filmmusik nur sehr unzureichend! Zum Abschalten? Eher wird dem, was den meisten Gebrauchsfilmen heute unterlegt wird, die durch Kanzler Schröder geadelte Kommentierung „Es ist zum K…“ gerecht! Ich gehöre der Generation an, die noch an Straßenecken oder auf Jahrmärkten eine Spezies Musiker kannte, die es heute kaum noch gibt: Auf dem Rücken eine große Trommel, bedient per Fußmaschine, um den Hals ein Drahtgestell, an dem der Schnauzenhobel befestigt war und mit den Händen hatte er immer noch weitere Instrumente in Bearbeitung. Dieser Tausendsaßa hatte die schöne Bezeichnung „Multibläser“! Was dieser Musiker erzeugte, hebt ihn in der Rückschau glorios um Lichtjahre ab von seinen modernen Nachfahren, jenen armen Wichten der Musik, die als Computer-Alleinunterhalter sinn- und substanzlose Tonfolgen in ihre PC`s hämmern und eben von Tuten und Blasen so gut wie nichts wißen oder gelernt haben! Ich weiß sehr gut, wir haben außer Herrn Morricone, Herrn Rota und 2-3 weiteren echten Komponisten, KEINEN (Herrn Zimmer und andere eingeschloßen) Musiker mit der genialen Meisterschaft eines Theo Mackeben, Georg Haentzschel, Werner Bochmann, Alois Melichar, Werner Eisbrenner, Edmund Nick, Peter Kreuder, Walter Gronostay, Karl Sczuka, Norbert Schulze und vielen anderen. Die traurige Entwicklung der sog. „ernsten“ Musik ließ mit ihren „Vorbildern“ a la Stockhausen ja auch nicht gerade Nachwuchßchulen entstehen, die gewichtige Musiker hervorbracht hätten. So müßen wir, wenn wir nicht von der bei uns oft genutzten Möglichkeit des Abschaltens Gebrauch machen, beinahe ausnahmslos das immer gleiche und völlig austauschbare Elektronengedudel unter unseren Filmen ertragen! Da sind unter Einschaltung des immer gleichen Halls sinnlose Tonfolgen unterlegt, ohne jede Individualität des Klanges, des Raumes, des „Einfalls“, ganz sicher auch ohne jede musikalische Entwicklung. Entgegen den vielen Zweckgerüchten sind Computerklänge eben nicht ach so vielfältig, farbig, ausdruckßtark usw., sondern im Vergleich zu menschengemachter und menschlicher Musik einfach nur unendlich armselig… und einfach unmenschlich! Gema-Probleme sollten für einen großen öffentlich-rechtlichen Sender nun wirklich zu lösen sein und sind als Begründung für das Verabreichen primitivsten musikalischen Restmülls nicht zu akzeptieren! Ich bitte um Nachsicht für meine klare Außprache, aber ich habe zu viel Zeit meines Lebens als Musiker (u.a. auch als Konzertmeister im SO des NDR) verbracht, um mit „ausgewogenen“ Floskeln meinen Zorn über Unmusik auszudrücken! Mit freundlichen Grüßen Johannes Brüning