Digitales Formfleisch
Beim Pizzabäcker um die Ecke wie beim feinen Italiener steht sie auf der Karte: Pizza Prosciutto … hmmmmm … Aber da ist bei der Aufzählung der köstlichen Beläge neben dem Wort Schinken ein kleiner Stern*, der aufs (sehr) Kleingedruckte unten am Ende der Liste verweist. „Vorderschinken“ kann man dann als Erklärung lesen. Wer weiß schon, was genau das ist – aber ok, Hunger, her mit dem Teigfladen und buon appetito!
„Vorderschinken“ kommt einem eigentlich etwas fremd vor, fragen wir also genauer, was das ist. Schnell sind wir auf der Seite des VIS, des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Unsere Ahnung lag nicht falsch, es sind Schinkenimitate, bestenfalls eine Masse aus zusammengepressten Fleischstücken, es können aber auch zerschredderte kleinste Fleischfasern sein, irgendwie zusammengepappt. Mein böser Verdacht: Da könnten ja auch Fleischabfälle … Man erfährt auch, daß die entstandene Masse um 50% Fleisch enthält, Tendenz im Laufe der Jahre sinkend, TOLL! Damit alles nicht so schlimm klingt, versteckt die Behörde die unappetitlichen Fakten teilweise hinter einem Fremdwort, das wohl kaum jemand sofort deuten kann: Ein ALIUD sei der Fleischkram, der oft gemäß den Vorschriften als „Brühwurstartiges Erzeugnis“ bezeichnet werden müßte. Mit „Falschlieferung“ übersetzt der Jurist das schöne Fremdwort ALIUD. Mit einfachen Alltagsausdrücken, um die Eiweißpampe zu beschreiben, halten sich die Bürokraten zurück. Allzusehr möchte man dem Umsatz wohl auch nicht schaden. Aber allein die Beschreibung des Produktionsganges steigert bei mir jedenfalls die Vorfreude auf den „Genuss“ nicht.
Warum die Erörterung von Fragen zu einer unserer Lieblingsspeisen – unser Thema ist doch der digitale Tonträger! Die Antwort muß ich nicht geben, Musik vom Rechner schmeckt mir wie digitales Formfleisch (und ist mir genauso unappetitlich). Zusammengemurkste Tonfasern statt des ganzen organischen Tones! Aber kein Sternchen auf der CD-Hülle weist auf den klanglichen Vorderschinken hin. Das, was ich als ALIUD ansehe, wird ohne Fußnote verkauft – für die Nahrung unserer Seele über das Gehör fühlt sich keine Behörde zuständig, sie wäre damit auch überfordert. Überlassen wir den Paragraphenreitern den Schutz des Magens, um unsere Ohren kümmern wir uns selbst. Legen wir also eine saftige ganze Scheibe auf den (Platten)teller!