Weiteres Argument: Klirren und Tonhöhen – Schwankungen
Ja, es läßt sich nicht verheimlichen, daß die mechanische Aufzeichnung eines vollständigen organischen Klanges (Edisons Weltwunder-Erfindung) oder auch dessen Speicherung auf Magnetband (nicht weniger genial!) unaufhörlich von irdischen Lasten bedroht ist. Ganz entfernt könnte man an ein Bild einer schwebenden Tänzerin auf einem Seidenfaden denken. Der immaterielle „Gegenstand“, den die analoge Technik verarbeitet, speichert, bewegt, ist eine Höchstleistung des Menschen, die sich aus unzähligen Entwicklungslinien zusammensetzt und in ihrer Gesamt-Komplexität unüberschaubar bleibt. Da scheint fast jedes irdene Werkzeug, welches mit unserem Gegenstand in Berührung kommt, zu grob. Nur die ausgefeiltesten Apparate sind gerade ausreichende Medien. In den Besten ihrer Art steckt soviel technisch-wissenschaftliche Leistung und Können, daß man sie nicht weit von den Leistungen z.B. eines Instrumentenbauers ansiedeln kann.
Das machte sich die Musikindustrie zunutze: Da Plattenspieler wie „Mister Hit“, das Heimtonbandgerät oder die gutbürgerliche Musiktruhe zu keiner Zeit imstande waren, das wiederzugeben, was in professionellen Bändern oder den Platten steckt, traf es auf den ersten Blick zu, daß die CD weniger rauschte, klirrte, knackste oder jaulte. Was man sich aber dafür einhandelte, haben wir schon herausgefunden. Es ist zusammengefaßt wie der Vergleich von Äpfeln und Birnen. Wie später noch im Zusammenhang mit weiteren Argumenten analog/digital zu erörtern sein wird, ist aus dem Gesagten schon zu ersehen, daß die klanglichen Trauben unverändert sehr hoch hängen, einen billigen, „geizigen“ Weg zu den Früchten gibt es nicht. Bestimmte Höchstleistungen lassen sich, allen Reklame-Tsunamis zum Trotz, bisher, und das wird wohl so bleiben, nicht sozialisieren.
Muß ich hier erwähnen, daß bei unseren Betrachtungen völlig unsinnige „Formate“ wie DAB, MP3 usw. die nur rein wirtschaftlichen Hintergrund haben, kein erstzunehmender Mitspieler sind?
Wenden wir uns wieder der digitalen Aufnahmetechnik zu: Großer Jubel, heissa, jetzt sind endlich verlustfreie Kopien von Aufnahmen möglich! Schon wieder falsch, das trifft durchaus nicht in allen Fällen zu, in etlichen Situationen der digitalen Kette schreitet die Fehlerkorrektur zur Tat und steuert eigene Kalkulationen bei – aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, DER Verlust ist marginal gegenüber dem, was beim digitalen Original schon VOR der ersten Kopie verloren ist – das Leben.
Pyrrhussieg der Technik
Wem würde das ständige weitere Auffüllen seiner Zisterne nützen, wenn es sich dabei um destilliertes Wasser handelte und die Medizin uns sagt, daß dessen Trinkgenuß binnen 3 Wochen tödlich ist? Was für ein Pyrrhussieg der Technik, von toten einzeln aufeinanderfolgenden Zahlengruppen Kopien herstellen zu können! Seit Jahrtausenden in der Menschheitsgeschichte gibt es von den hohen Leistungen der Kunst immer nur einmalige Originale, sei es in der bildenden Kunst oder in der Musik, die einmalig an einem Ort in der Zeit entsteht und verklingt.
Nochmals: Originale große Kunst läßt sich nicht sozialisieren. Aber seit Urzeiten stand und steht es jedem Suchenden frei, sich auf den Pilgerweg zu machen zu den Meisterwerken, ins Konzert, zu Bildern, Bauwerken, all diesen Leuchttürmen der menschlichen Kreativität. Und einen Widerschein von deren Licht haben uns Edison, Daguerre, und das Magnetband seit der K1 ins Haus geholt. Gleichgültig, welche Plakate die Musikindustrie und der seit der denkwürdigen Sylvesternacht 1993 voll kommerzialisierte Rundfunk vor sich hertragen – es sind keine Kulturpflegeinstitute, sondern Geschäftsunternehmen. Hat ein gewisser Rembrandt van Rijn etwa Pech gehabt, daß ihm die Technik seiner Lebenszeit „nur“ Leinwand, Pinsel und Ölfarben gab? Damit hat er bedauerlicherweise nur EINE Nachtwache geschafft – wie gerne hätte er das Bildchen in der großen Linie Fluß aus Bits und Bites zusammengehackt und diese früh-niederländische Burger-Frikadelle mindestens mal für die ersten 10 zahlenden Kunden „ausgedruckt“!! Nicht zu denken an die phantastische Möglichkeit, verlustfreie Kopien für die vielen Schlafstuben zu klonen, in denen der röhrende Hirsch etwas langweilig geworden ist! Und die aufwendige Reise nach Amsterdam könnte man sich obendrein noch sparen …
Das alles ist kein Ausweis für irgendeine Art von elitärem Denken, ich sehe es als Beweis für die Einzigartigkeit von hohen künstlerischen Leistungen, daß sie nicht nach Belieben auf Abruf zum „Runterladen“ zur Verfügung stehen. Vielleicht wünscht (allerdings erfolglos) ein Zeitgeist so etwas, der widerwärtigste Songs wie „I know what i want, and i want it now“ hat hochkommen lassen …
Zurück zu analog/digital: Aufs Ganze gesehen ist der Zug (des Geldes) abgefahren ? dem wirklich Interessierten bleiben noch für einen begrenzten Zeitraum einige wenige Möglichkeiten, sich eine Insel des technischen Wohlklangs zu schaffen. Aber, ohne intensive theoretische und praktische Beschäftigung / Einarbeitung ist das Ziel kaum zu erreichen. Hoher finanzieller Einsatz kommt noch unvermeidbar dazu. Aber es gibt sie noch, die (EMT) Plattenspieler, Tonabnehmer, (Röhren) Verstärker, Lautsprecher, Telefunken M10, Nagras und neuerdings, wie man hört, auch wieder Bänder aus Holland dazu sowie analoge LP’s.