Unser Röhrentechnik Tonstudio
Unser großes Museums-Röhrenstudio ist seit 2007 wieder betriebsfähig aufgebaut nach dem Umzug aus dem Norden.
Das 24-Kanal Pult von ENB Berlin in V76 / V74a / V72 – Technik steht zur Besichtigung und für Hörproben zur Verfügung. So bekommt der Besucher einen Eindruck, wie es einmal im Rundfunk klang…..
Natürlich sind entsprechende Zusatzgeräte wie die alte EMT Hallplatte, Röhrenmikros wie U47/M49 und Bandmaschinen ab der K 4 sowie viele andere historische Souveniers aus der Zeit dabei.
Spezialgebiet Tonographie Apparatebau Wuppertal
Durch glückliche Umstände konnten wir in den Besitz der Werkzeuge, Muster und vorgefertigten Baugruppen aller Röhrenverstärker der V 72… Reihe der Fa. Tonographie gelangen. Ebenso sind bei uns noch DIN-Kassettengehäuse der V72… Reihe (Danner Berlin Originalfertigung) vorhanden. Dazu umfangreiche Dokumentation in Wort und Bild.
Eine kleine Geschichte der Tonographie und ihres Gründers haben haben wir unter dem Titel “ Die drei Leben des Hans-Karl von Willisen“ auf dieser Seite begonnen.
Die enge Verbundenheit mit der Tonographie entstand vor Jahrzehnten, als ich das Glück hatte, meinen Freund Werner Andres kennenzulernen, damals führend in der Wuppertaler Firma. Ihm verdanke ich u.a. die folgenden Bilder.
DIE DREI LEBEN DES HANS-KARL VON WILLISEN
von Monika Wersche
Einleitung
Man lebt nur zweimal – heißt ein bekannter Agententhriller aus den 60er Jahren, in dem James Bond in seiner unvergleichlichen Art und undercover, versteht sich, versucht, die Welt vor dem Untergang zu retten. Als russische und amerikanische Raumkapseln auf mysteriöse Weise verschwinden, geben sich die beiden Supermächte gegenseitig die Schuld daran. Droht ein Dritter Weltkrieg?
Bond kann ihn abwenden, doch bezahlt er seinen Einsatz mit dem Leben; jedenfalls wird er für tot erklärt. Daß er es nicht ist, stellt sich erst später heraus. Zum Glück! Sein 2. Leben kann beginnen…
Soweit der Film, die Fiktion.
Auf unserer FUNKSTUNDEN – Seite haben wir es mit einem Mann zu tun, der ebenso wie Bond in geheimer Mission unterwegs war. Sein Name: Von Willisen, Hans-Karl Freiherr von Willisen. Und wo fand er sein Einsatzgebiet? Zu Wasser, zu Lande und in der Luft! Von Willisen war allerdings kein Agent, sondern ein genialer Erfinder, ausgestattet mit einem unermüdlichen Forschergeist, als Mensch sehr erdverbunden, was auf den Gegenstand seiner wissenschaftlichen Untersuchungen und technischen Experimente nur zum Teil zutraf – zutreffen konnte!
Und dieser Mann brachte es sogar auf drei Leben.
DAS 1. LEBEN DES HANS-KARL VON WILLISEN
Von Willisen war maßgeblich an der Entwicklung des deutschen Radarsystems beteiligt. Radar, das bis 1945 noch als Funkmeßtechnik bezeichnet wurde. Diese Funkmeßtechnik war Inhalt seines Lebens, seines ersten!
Hans-Karl, Jahrgang 1906, interessierte sich schon als Schüler für alles, was irgendwie nach Technik, möglichst Funktechnik aussah und gründete bereits als junger Mann von Mitte 20 zusammen mit seinem Kompagnon, Paul – Günther Erbslöh, eine eigene Firma in Berlin, die „Tonographie“.
Die beiden Experten beschäftigten sich mit neuen Verstärker- und Mikrofontechniken, von denen sie sich – nach dem Trichter, der Edisonschen Sprechmaschine – eine verbesserte Aufnahme- bzw. Wiedergabequalität versprachen.
Die Ergebnisse ihrer Versuchsreihen konnten sich sehen, bzw. hören lassen, und sie sollten sich bald in barer Münze auszahlen. Nicht nur in Reichsmark, sondern auch in Kontakten, so etwa zum berühmten VOX – Haus, dem Haus der Schallplatte in Berlin, von dem aus 1923 die erste öffentliche Rundfunksendung in Deutschland übertragen wurde.
Schon damals wirkten v. Willisen und Erbslöh bei der Erprobung und dem Aufbau der ersten Übertragungseinrichtungen des Senders mit. Als „Hans Dampf in allen Gassen“ bekannt und außerordentlich beliebt, nahm man auch in militärischen Kreisen Notiz vom jungen Willisen und seinen akustischen Versuchen: 1932 brauchte das Heereswaffenamt in Berlin „für Ausbildungszwecke bei der Truppe Schallplattenaufnahmen vom Mündungs- und Geschoßknall für Zeitabstandsmessungen und Ortsbestimmungen“ (v. Krooge, S.22). Wen konnte man sich für ein solches Vorhaben besser vorstellen als die beiden technischen Alleskönner v. Willisen und Erbslöh mit ihren unkonventionellen Methoden?
Sie bezogen mit ihren Aufnahmegeräten Stellung im Schützengraben des Schießplatzes Kummersdorf bei Berlin und lieferten den Behörden die gewünschten Schallplattenaufnahmen. Nach dieser gelungenen „Generalprobe“ wurden v. Willisen und Erbslöh zur Nachrichtenversuchsanstalt der Marine (NVA) weiterempfohlen und um Mitarbeit in dem äußerst sensiblen Forschungsbereich der aktiven Wasserschall- und Funkortungstechnik gefragt.
Von Willisen und Erbslöh sagten gerne zu, denn für neue geistige und technische Herausforderungen waren die beiden jungen Pioniere immer zu haben. Forschung war teuer, staatliche Zuschüsse flossen Anfang der 30er nur spärlich, so daß sich von Willisen und Erbslöh entschlossen, ihre Experimente aus eigener Tasche zu bezahlen. Sie konnten es sich leisten. Ihre Firma „Tonographie“ lief prächtig – Ton- und Schallplattenaufnahmen wurden überall gebraucht – und der Eröffnung einer zweiten Firma, die sich ausschließlich mit der Erforschung der Funkmeßtechnik beschäftigte, stand nichts im Wege.
Sie nannten sie „Gesellschaft für elektroakustische und mechanische Apparate mbH“ (GEMA), die später einen legendären Ruf erlangte. Eigenes Geld, unabhängige Forschung, so v. Willisens und Erbslöhs Überlegung, erwies sich als Utopie. Als Unterwasserversuche in Deutschland ab 1934 zur geheimen Kommandosache erklärt wurden, war es mit einer anfänglichen Experimentierphase bei der GEMA vorbei.
Der enge Umgang von reinen Zivilisten mit besonders geschützten militärischen Bereichen war ohne Einbindung ins System nicht mehr möglich. So stieg v. Willisen zum Marinenachrichtenoffizier im Range eines Leutnants auf, und der Form war Genüge getan, was wir an einer persönlichen Widmung des Generaladmirals Saalwächter ablesen können. Über seine innere Haltung zur politischen Situation können wir nur mutmaßen, Überlieferungen liegen uns nicht vor. Von Krooge äußert sich wie folgt dazu: „Zu einer Zeit, als sich Erbslöh und von Willisen mit einer Reihe enger Mitarbeiter noch mit Vorschlägen über die friedliche Nutzung ihrer DeTe – Geräte als Lotsengeräte für die Handelsschiffahrt und für Zwecke der zivilen Luftfahrt beschäftigen konnten und durften, befanden sich über 20 GEMA – Funkgeräte bereits zu Lande und zu Wasser im militärischen Einsatz“ (v. Krooge, S.105). Die Machthaber des „Dritten Reiches“ hatten schon frühzeitig die Brisanz dieser neuen Technik erkannt und für sich reklamiert. So blieb es nicht aus, daß v. Willisen als Entwickler und nennenswerter Zulieferer für die NVA bei Ausbruch des 2. Weltkrieges mit seiner GEMA zur Kriegsproduktion herangezogen wurde (Nachzulesen bei Harry von Krooge).
ZU WASSER, ZU LANDE UND IN DER LUFT
An der Nord- und Ostseeküste, am Mittelmeer in Süditalien und Sizilien, überall, wo man unsichtbare Feinde vermutete, wurden die riesigen, aus Einzelteilen bestehenden Wasserschall- und Funkortungsgeräte installiert und in Position gebracht. Das Radar wurde ebenso in Geräten kleiner und leichter Bauform nach Willisenscher Technik u.a. an Bord von Flugzeugen verwendet, mit deren Hilfe man auch erkennen konnte, ob sich der Feind von hinten nähert.
Alle militärischen Gruppen (Heer, Marine, Luftwaffe) machten sich so schnell wie möglich die geniale Erfindung des Radars zunutze.
Auch auf der Insel Lampedusa, einem der südlichsten Flecken Europas, tauchte 1941 ein Einsatzkommando der deutschen Wehrmacht auf, im Gepäck ein zerlegtes Freya – Gerät. Im Visier: Die afrikanische Küste. Andreas Sander, ein Zeitzeuge und damals blutjunger Soldat, erzählte uns eindringlich von seinen Einsätzen als Wartungsingenieur am Freya- Gerät auf Lampedusa.
Wir trafen Andreas im Jahr 2001 auf dieser Insel, die er nach 60 Jahren noch einmal wiedersehen wollte. Von ihm stammen auch die entsprechenden Fotos auf unserer FUNKSTUNDEN – Seite. Mit 80 Jahren war er im BMW von seiner Heimatstadt Kleve über 2000 km den Stiefel hinunter gefahren bis nach Sizilien und weiter nach Lampedusa, auf Spurensuche nach der eigenen Vergangenheit wie er uns sagte.
Andreas überließ uns einen Brief, den er nach einem etwas missglückten Manöver auf Sizilien von einem italienischen Kommandanten bekommen hatte, er berührte uns zutiefst.
Wir schreiben hier nicht die Geschichte der Radartechnik. Das haben andere ausgiebig getan – unbedingt lesen: Harry von Krooge: „GEMA – BERLIN – Geburtsstätte der deutschen aktiven Wasserschall- und Funkortungstechnik“. Wir wenden uns dem 2. Leben des Hans-Karl v. Willisen zu, denn mit Kriegsende und dem daniederliegenden Deutschland des Jahres 1945 ging auch die Firma GEMA unter. Das 1. Leben von Hans-Karl v. Willisen, wenn auch nur sein berufliches, fand ein jähes Ende.
DAS 2. LEBEN DES HANS-KARL VON WILLISEN
In den letzten Kriegsmonaten hatte man Teile der Produktion der GEMA vom Stammwerk in Berlin nach Norddeutschland ausgelagert, um zu retten, was zu retten war. Geschäftsunterlagen, Meßvorrichtungen, Maschinenteile wurden gut versteckt, u.a. in Lagerhallen in Kiel, Scharbeutz, Pelzerhaken und Lensahn in Schleswig – Holstein.
Doch der verstreute Firmenbestand wurde 1945 von den Siegermächten, in diesem Fall den Engländern, aufgespürt und beschlagnahmt. Alles, was nach Funktechnik aussah, wurde entweder abtransportiert oder möglichst zerstört.
Nach Kriegsende war es den Deutschen laut Alliiertenstatut verboten, sich an so genannter „kriegstauglicher“ Produktion zu beteiligen, geschweige denn, sie herzustellen; kein Deutscher durfte ein „funktechnisches“ Gerät besitzen, auch Radios zählten dazu, sie mußten an dafür eingerichtete Sammelstellen abgeliefert werden. Jedoch Reparaturen von Rundfunkgeräten Besatzungsangehöriger durch Deutsche wurde genehmigt.
Da hatte v. Willisen eine Geschäftsidee. Sein Motto hieß von nun an: „Wir bauen alles, wir reparieren alles“ (nach Bölte – Zur Firmengeschichte der MWL und WILAG).
Von Willisen hatte das vom Krieg zerstörte Berlin verlassen und war – aus guten Gründen – nach Lensahn umgezogen. Noch im Jahr 1945 gelang es ihm, mit ehemaligen Mitarbeitern, aus dem Krieg zurückkehrenden Soldaten, Ostflüchtlingen, die auf der Suche nach Arbeit waren, seine „Mechanischen Werkstätten Lensahn“ (MWL) zu eröffnen.
In alten Schuppen wurden doch noch nützliche Teile aus der zerschlagenen alten GEMA entdeckt. Mit seinen aus Fundstücken zusammengesetzten Arbeitsgeräten, seinem „Altwarenhandel“, wie er es nannte, konnten v. Willisen und seine Mitstreiter sich erst einmal über Wasser halten. Man reparierte defekte Kocher, Toaster, „Plätteisen“, Staubsauger, Hörgeräte…, alles, was sich, wenig beachtet und jetzt wieder hervorgekramt, während des Krieges in Kellern der Menschen befand. Nach einer Lockerung des Alliiertenstatuts wurde neben der Reparatur auch die Produktion von landwirtschaftlichen Maschinen erlaubt und schließlich der lang ersehnte Verkauf von Radios. Die Deutschen atmeten auf. Nach dem Zwangshören der vergangenen „1000 Jahre“ gab es endlich wieder Informationen aus der freien Welt! Eine Sensation! Der Berliner Rundfunk im Haus an der Masurenallee, anfangs noch unter alliierter russischer Militäraufsicht, sendete
sie rund um die Uhr. Die Jugend wollte Musik, Musik, Musik! Sie wurde mit „Hottentottenmusik“ wie unsere Eltern sie nannten, vom RIAS Berlin (Rundfunk im amerikanischen Sektor) bestens bedient. Und dazu benötigte man viele neue Rundfunkgeräte. Da die Siegermächte Deutschland jetzt als Wirtschaftsfaktor betrachteten, dessen künftige Unternehmen zu ebenbürtigen Handelspartnern heranwachsen sollten, entschlossen sie sich, den Deutschen mit einem maßgeschneiderten Wiederaufbauprogramm, dem Marshallplan, die Gelegenheit dazu zu geben.
Das allgemeine Ärmelaufkrempeln erreichte auch v. Willisens Firma, für sie begann eine ungeahnte, wenn auch kurze, Erfolgsgeschichte.
1948, kurz nach der Währungsreform waren Willisens Auftragsbücher übervoll, die MWL zählte über 400 Mitarbeiter, neue Produktionsstätten wurden angemietet, größere Bürogebäude gebaut. Noch im selben Jahr wurde aus der MWL die „WILAG, Willisen – Apparatebau – Gesellschaft mbH“, aus der v. Willisen ein hoch spezifiziertes Unternehmen machte, das neben Geräten für die Landwirtschaft, vor allem Radios produzierte. V. Willisens Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet der Funktechnik waren wieder gefragt und gerade für die neu entstandenen deutschen Rundfunkanstalten von unschätzbarem Wert.
Für sie baute er u.a. Lautsprecherverstärker und Mikrofone (Typ „Flasche“).
Die Zusammenarbeit mit den Technikern in den Funkhäusern klappte vorzüglich, kannte man sich doch von früher. Günther Schütte, ein späterer enger Mitarbeiter von v. Willisen, erklärt dies so: „Viele der Entwickler der Berliner GEMA fanden sich nach dem Krieg als leitende Ingenieure in den Rundfunkanstalten wieder. Da lt. Kontrollratsgesetz in Deutschland keine kriegstechnisch verwendbaren Anlagen hergestellt werden durften, beschäftigten sich die ehemaligen Mitarbeiter der GEMA mit artverwandten Technologien, die sie mit der gleichen Präzision konzipierten, mit denen sie einst die Freya- und Würzburggeräte erdacht hatten. Vermutlich erklärt sich nicht zuletzt daraus der beachtlich hohe technische Standard des deutschen Rundfunks.
Damit waren zwar Maßstäbe gesetzt, doch die Konkurrenz schlief nicht. Mit den großen Firmen aus der gleichen Branche, wie Siemens, Telefunken oder AEG konnte die WILAG auf die Dauer nicht mithalten: Sie war zwar ein feines, auf Qualität ausgerichtetes Unternehmen, jedoch ein kleines, das auf den Massenbedarf an Geräten, vor allem Radios, nicht vorbereitet war, und auch auf den Nachschub an Ersatzteilen in so großer Zahl nicht entsprechend reagieren konnte. Als die Leser der beliebten Rundfunkzeitschrift „Hör Zu“ in einem Artikel die Empfehlung bekamen, nur noch die kleineren UKW – Radios zu kaufen, bröckelte v. Willisens Kundschaft schnell ab. Seine Großradios waren jetzt nicht mehr gefragt, reklamierte Geräte kamen zurück, wurden nicht bezahlt, und neue Radios nicht mehr bestellt; die Landesbank zog ihre Kredite zurück. 300 Arbeiter wurden entlassen. V. Willisen schied als Geschäftsführer aus der Firma aus. 1949 wurde die WILAG aufgelöst. Ein Liquidationsverfahren zog sich noch bis 1955 hin, die Eintragung endet mit dem Vermerk: „Die Firma ist erloschen“.
(Nach Detlev W.F. Bölte wie oben)
V. Willisen stand zum zweiten Mal vor einer großen Lebenspleite. Aufgeben? Abtauchen? Nein! Das war nicht seine Sache. Er verschwand auch nicht in der Versenkung, wie fälschlich berichtet wurde, er dachte erst einmal nach und – bereitete sich innerlich auf sein 3. Leben vor.
WOHER – WOHIN?
Von Willisen besann sich auf seine Wurzeln, erinnerte sich an die Zeit, die er als Kind und Jugendlicher in Berlin verbracht hatte, an seine ersten beruflichen Erfolge, seine Familie, die ihm das Rüstzeug für seine Lebenskraft gab, und den unerschütterlichen Glauben an sich selbst.
Hans-Karl, am 19.4.1906 geboren, verlebte eine unbeschwerte Kindheit im vornehmen Berlin – Charlottenburg. Mit 12 Jahren besuchte er das Potsdamer Realgymnasium; dort wurde er auch bald gut Freund mit seinem ein Jahr älteren Schulkameraden Erbslöh, dessen Familie aus dem Rheinland zugezogen war. Die beiden Freunde schweißte ihr gemeinsames Interesse an der Technik zusammen. Jede freie Minute verbrachten sie mit tüfteln, basteln und probieren. Vor allem hatte es ihnen die drahtlose Telegraphie und Telephonie angetan; ihre schulischen Leistungen ließen bald zu wünschen übrig, Vater v. Willisen, Offizier von altem preußischen Adel, und Vater Erbslöh, höherer Staatsbeamter aus der Familie der bedeutenden Wuppertaler Aluminium Werke, werden so manches Machtwort gesprochen haben, um ihre „Bengels“ zur Raison zu bringen; schließlich sollte ja mal etwas „Ordentliches“ aus ihnen werden. Die beiden Söhnchen genossen dennoch so viele Freiheiten, an die andere Jugendliche in Zeiten zwischen den beiden Weltkriegen nicht einmal denken konnten. Den gewitzten Berliner Jungs fiel es indes nicht schwer, ihren Kopf durchzusetzen, um an Teile für ihre Experimente heranzukommen. Sie bettelten bei Freunden und Bekannten ihrer Väter um ausgemusterte Funkgeräte aus alten Heeresbeständen, streiften mit ihren Fahrrädern durch die Gegend, immer auf der Suche nach alter Technik; klapperten die Elektrogeschäfte ihres Viertels ab, in denen es manchmal die heiß begehrten Bauteile zu kaufen gab. Sie klopften sogar bei den großen Firmen wie Borsig oder Siemens an, manchmal wurde ihnen geöffnet, doch meistens ließ man sie abblitzen. Zu Hause bauten sie aus ihren Beutestücken immer leistungsfähigere Empfangsanlagen, statteten sie mit den verschiedensten Antennen aus; bald gelang es ihnen, den kommerziellen ausländischen Funkverkehr mitzulesen. Von Willisen beherrschte längst perfekt das Morsealphabet; und irgendwann entdeckten die beiden Freunde die Frequenz der Funkstellen Nauen und Norddeich.
Die erste Rundfunksendung, die am 29. Oktober 1923 aus dem Haus der Schallplatte, dem VOX – Haus in Berlin, ausgestrahlt wurde, hörten v. Willisen und Erbslöh selbstverständlich auf ihren selbst gebastelten Apparaturen mit.
Die beiden anstrengenden Youngsters waren allmählich aus ihrer Bastelkiste heraus- und zu seriösen Wissenschaftlern herangewachsen. Man kam an ihnen nicht mehr vorbei und wollte es auch gar nicht, im Gegenteil: Aufgrund ihres Sachverstandes standen den beiden Freunden alle Türen offen. Im Heinrich – Hertz – Institut gingen sie ein und aus. Die Leitung des VOX – Hauses bat v. Willisen um Beratung bei der Verbesserung der Übertragungsqualität bei Rundfunksendungen. Die Eintrittskarte in die Wissenschaftswelt hatten sich v. Willisen und Erbslöh durch ihr enormes Fachwissen erworben, zum einen mit dem Studium zugänglicher in- und ausländischer Fachliteratur zur Entwicklung der Funktechnik, durch die sie beachtliche Einblicke in physikalische Zusammenhänge gewannen, zum anderen aber auch durch ihre jahrelangen, lausejungenhaften, und nicht immer legalen praktischen „Feldversuche“. Einen ersten Erfolg konnte v. Willisen mit seiner neuen Aufnahmetechnik verbuchen, die er mittels Verstärkern und Mikrofonen durchführte. Er setzte mehrere Mikrofone ein, die im Verstärkereingang nach Art späterer Regiepulte mischbar waren und somit die Tonqualität entscheidend verbesserten. All seine Geschicklichkeit und sein Fleiß führten dann wie oben beschrieben zu den Anfängen seiner ersten Firma, der Tonographie.
DAS 3. LEBEN DES HANS-KARL V.WILLISEN
„Es gibt nichts, was nicht zu machen ist, man muss es nur machen.“ Mit diesem Grundsatz, der bei ihm immer dann zum Tragen kam, wenn es besonders schwierig wurde, begann das 3. Leben des H – K. v. Willisen.
LEUTE FÜR NEUE FIRMA GESUCHT! WER MACHT MIT?
Es war die Zeit des Wirtschaftswunders und v. Willisen erst in den 40ern, nicht zu alt, um nicht alles noch einmal auf eine Karte zu setzen, schließlich hatte er ja viele Trümpfe in der Hand. Um nur einige zu nennen: Da war sein Können, sein Sachverstand, seine eiserne Disziplin, sein enormer Erfahrungsschatz, auch seine sehr ausgeprägte Kontaktfreudigkeit, die ihm zu Gute kam.
Von Willisen bündelte noch einmal all seine Kräfte, er verließ Lensahn und siedelte nach Wuppertal um; die Nähe zum Westdeutschen Rundfunk in Köln spielte dabei eine Rolle. Er versammelte junge, engagierte Leute um sich und gewann so Mitarbeiter aus den verschiedensten Arbeitsbereichen; jeder, der sich für sein Gebiet, die Rundfunk- und Verstärkertechnik interessierte und den Willen mitbrachte, sich fortzubilden, war ihm willkommen. Mit Hilfe seiner neuen Belegschaft wagte es v. Willisen noch einmal, nun zum dritten Mal, eine Firma zu gründen. Und er nannte sie wieder, nach altem Erfolgsrezept, Tonographie. Werner Andres kam 1958 als Elektriker zur Firma und machte als Betriebsingenieur und Leiter der Einkaufsabteilung Karriere. Wir wollen Werner Andres zu seiner aktiven Zeit bei der Tono befragen.
Sogar einen Studenten der Theaterwissenschaften hatte es zu v. Willisen verschlagen: Günther Schütte jobbte in den Semesterferien bei der Tono. Er war wohl so angetan vom Arbeitsfeld und der Atmosphäre, die in dieser Firma herrschte, daß er sein Studium an den Nagel hing, umsattelte und zur rechten Hand des Chefs wurde. Als Entwickler der großen Klassiker der Rundfunk – Studiotechnik blieb G. Schütte fast bis zur Auflösung bei der Tonographie.
Wie sollte es anders sein, v. Willisen, der Chef, der Macher, der Mensch, landete mit seiner Firma wieder einen Coup:
V76, V74, V72a, ebenso U70 und U73 – alles TAB – Erfolgsgeräte, wurden übrigens u.a. von Telefunken und Siemens in alle Welt vertrieben und im In- und Ausland hoch geschätzt.
Wer heute eines von diesen raren Teilen besitzt, kann sich glücklich schätzen. Der legendäre Mikrofonverstärker V76 hat inzwischen Kultstatus erreicht. (Schütte 2006).
Leider konnte der „Baron“, wie v. Willisen von seinen Mitarbeitern gern genannt wurde, seinen Erfolg nur knapp 10 Jahre lang genießen, er verstarb im Jahr 1966 kurz vor seinen 60. Geburtstag. Damit war sein 3. Leben, sein Leben auf dieser Welt, zu Ende. Doch wer denkt, daß unser „James Bond der Wissenschaften“ nun endgültig von der Bildfläche verschwunden ist, der irrt gewaltig. Denn hält jemand ein kostbares TAB – Gerät in seinen Händen, fällt ihm nur ein Name ein: v. Willisen, Hans-Karl von Willisen, und somit ist er für ihn – und für uns – unsterblich geworden.
Über die beiden ersten Lebensabschnitte des H. – K. – v. Willisen war und ist einiges in der einschlägigen Literatur zu finden (v. Krooge, Bölte, Schütte). Der später folgende dritte Abschnitt über die Tono stützt sich allein auf Aussagen der wenigen Zeitzeugen und ehemaligen Mitarbeiter der Firma, Werner Andres und Günther Schütte. V. Willisen konnte seine Biographie aus o.g. Gründen nicht mehr schreiben. Wir hoffen, daß wir viel erfahren werden über eine große Zeit, in der Rundfunktechnik im Gegensatz zu heute, noch zu Recht so genannt werden konnte und die nach unserer Meinung viel zu schnell zu Ende ging. Im Studio und im lebenden Museum unserer FUNKSTUNDE kann man fast alle TAB – Geräte bewundern und hören wie gut Aufnahmen mit v. Willisens Technik klingen.
Die Geschichte der Tono endete eigentlich vor gar nicht so langer Zeit (1990), und wir waren dabei, doch leider haben wir nicht so viele Dokumente und Zeitzeugnisse gesammelt wie es leicht möglich gewesen wäre. Wenn einen das volle Leben umgibt, wer denkt schon an die Zeit danach, daß es einmal zu Ende sein könnte. So einiges hat sich dennoch angesammelt im eigenen Archiv. Wichtige Zeitzeugen gaben ihr Wissen hinzu, dazu persönliche Informationen von Günter Schütte.
Als junger Bastler ist Johannes Brüning schon von Witten nach Wuppertal zur Tono geradelt, hat dort angeklopft, um ein rares Ersatzteil von der Firma zu ergattern: wie sich die Bilder gleichen… Den „Baron“ hat er nicht kennen gelernt, doch viele andere Persönlichkeiten, mit einigen hat er Freundschaft geschlossen. Heute bemüht sich der etwas älter gewordene Bastler Brüning als Chronist. Bei uns in der FUNKSTUNDE ruht ein zentraler Schatz des Barons von Willisen. Es handelt sich dabei um die Produktionswerkzeuge aller je bei der Tono gebauten „Kassettenverstärker“. Wir können z. Zt. nicht überblicken, ob wir die Produktion nochmals aufnehmen werden.
Also an dieser Stelle wird es demnächst mehr Neues aus dem alten Wuppertal geben.
Wir danken Herrn Uwe Schwidewski für vielfältige Mitarbeit.
Ingenieur Hugo Maihak: Eine Geschichte
von Monika Wersche
1858 wurde Hugo Maihak in Myslitz in Oberschlesien geboren. Er wuchs in eine Zeit politischer Wirren, wirtschaftlicher Umwälzungen und sozialer Veränderungen hinein, von denen der kleine Hugo in seinem wohlbehüteten Elternhaus allerdings noch nichts ahnte: Während im Britischen Empire bereits seit 1743 „God save the King“ gesungen wurde, 50 Jahre später in Frankreich die Marseillaise, war es in deutschen Landen mit dem Nationalbewußtsein nicht weit her. Bis zur Reichsgründung von 1871 galt hier das Motto: „Wes Brot ich eß`, des Lied ich sing“.
Deutschland war um die Mitte des 19. Jahrhunderts in zahlreiche Klein- und Kleinststaaten zersplittert, in denen z. T. noch feudale Strukturen herrschten, und es gab nur wenige Freie Städte, in denen die Bürger ihr Recht auf freie Meinungsäußerung am ehesten durchsetzen konnten.
In den übrigen Fürstentümern dagegen galt das jeweilige Recht des Landesherren: Hatte jemand die falsche Religion, oder fiel aus anderen Gründen in Ungnade, konnte er sich vor Zorn, Verfolgung oder Verbannung nur retten, indem er entweder in eine andere Provinz flüchtete, sich ins Ausland absetzte, beispielsweise in die Vereinigten Staaten von Amerika, oder eben in eine dieser souveränen Freien Städte.
Die Leibeigenschaft war zwar gesetzlich aufgehoben, jedoch vor allem in den östlichen Gebieten Deutschlands in Form von Erbuntertänigkeit noch gang und gäbe. Um ihrer Fron zu entgehen und mit der Hoffnung auf ein besseres Dasein, zog es landlose Bauern, Knechte, Mägde, zunftlose Handwerker, entlassene Soldaten, Tagelöhner aus den ärmlichen ländlichen Gebieten in die industriellen Ballungsgebiete jener Tage, etwa nach Berlin, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, oder in die reichen Handelsstädte wie Hamburg, Lübeck, Bremen. Bis in den letzten Winkel der Provinz hatte es sich herumgesprochen: In der Stadt gibt?s was zu verdienen. – Wer konnte, setzte sich in Bewegung, verließ die vertraute Heimat, ging das Risiko einer ihm unbekannten, ungewissen Zukunft ein. – Egal, es herrschte Aufbruchstimmung: Massen von Menschen strömten in die Städte, verdingten sich als Dienstmädchen, Waschfrauen, Laufburschen, Handlanger; vor allem gab es Arbeit in den Fabrikhallen der neu entstandenen Industriebetriebe. Arbeit und Lohn! – Hier wurde man gebraucht, hier konnte man vielleicht sein Glück machen. – Viele fanden zwar ein Auskommen, doch nur die wenigsten kamen zu Reichtum in ihrem neuen Leben.
Wer allerdings wie Hugo Maihak in eine wohlhabende Familie hineingeboren wurde, dem war die berufliche Laufbahn vorgegeben; in diesen Kreisen wurde man entweder Offizier, Wissenschaftler, Kaufmann oder Ingenieur. Maihak wählte letzteres.
Lehrjahre an der Bauakademie Berlin
Nach dem Besuch der Gewerbeschule in Brieg schickten die Eltern ihren Hugo 1877 nach Berlin auf die ehemalige dortige Bauakademie. Hier belegte er das Fach Maschinen-Ingenieurswesen, einem noch jungen Zweig der Technischen Wissenschaften, der jedoch für die weitere industrielle und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands eine Schlüsselfunktion einnehmen sollte. In seinem vierjährigen Studium wurde Maihak mit den Theorien seiner Fast-Zeitgenossen vertraut, von Georg Simon Ohm, dessen Maßeinheit heute jedes Kind kennt, oder denen von Carl Friedrich Gauss, der zusammen mit Weber den elektromagnetischen Telegraphen erfand und Mitbegründer des ersten physikalischen Meßsystems war, oder Heinrich Goebel, der die erste brauchbare Kohlefadenglühlampe erfand, um nur einige wichtige Mathematiker, Physiker, Chemiker zu nennen; mit v. Siemens, Otto und Diesel arbeitete Maihak später zusammen.
Von Siemens verlegte die erste unterirdische Telegraphenleitung von Berlin nach Frankfurt und erfand den Dynamo. Die erste deutsche Dampfeisenbahn fuhr 1835 von Fürth nach Nürnberg. Angesteckt vom Erfindergeist seiner großen Lehrer, hatte der begabte Student Maihak nur eines im Sinn: da möchte ich mitmischen. Seine Vorliebe galt der Feinmechanik und dem Meßwesen, und hier speziell dem Maschinen-Indikator. James Watt, der englische Mathematiker, verwendete bereits 1790 solch einen Indikator in seiner Dampfmaschine; das war ein Meßgerät, das den Druckverlauf des Dampfes im Zylinder der Kolbenmaschine während des Arbeitshubs erkennbar und eben meßbar machte.
Nach Abschluß seines Studiums setzte Maihak da an, wo Watt aufgehört hatte. Für immer komplizierter werdende und verfeinerte Maschinentypen entwickelte er dem jeweiligen Bedarf angepaßte und präziser arbeitende Meßgeräte, sie wurden in den verschiedensten Bereichen der Industrie unentbehrlich, etwa im Schiffs- oder Bergbau. Mit seinem Druckdiagramm-Schreiber, auch Maihak-Indikator genannt, und seither für jeden Maschinenbauer ein Begriff, erlangte er Weltruhm.
Wissenschaftler, „Tüftler“, Handelsmann – der Umzug nach Hamburg
Da Maihak nicht nur ein begnadeter Wissenschaftler und Techniker war, sondern ein ebenso weltgewandter Mensch mit einem ausgeprägten Händchen fürs Kaufmännische, sah er, nach mehrjähriger Tätigkeit in Berlin, die Chance seines Lebens in einem Umzug von Berlin in die Freie- und Hansestadt Hamburg. Handel und Industrie blühten. Der Hafen, das „Tor zur Welt“, versprach direkten Zugang zu den Märkten ferner Länder mit ihrem immensen Hunger nach Waren, Gütern und vor allem Maschinen.
Zur rechten Zeit am rechten Ort, knüpfte Maihak erst einmal Kontakte. Mittels eines Kontors, das er 1885 am Rödingsmarkt eröffnete, importierte und vertrieb Maihak für die Firma des Maschinen-Ingenieurs Georg Klug Armaturen und Meßgeräte. 1886 wurde die Firma Klugs in das Handelsregister eingetragen, 1890 übernahm sie Maihak. Er erweiterte sein Geschäft durch erhöhte Einfuhren aus England und Amerika, auch die Firma des Engländers Crosby, damals führend auf dem Markt der Maschinen-Indikatorherstellung, konnte er erwerben. Sie wurde in H. Maihak umbenannt. Um seinen Betrieb auf eine noch breitere Basis zu stellen, änderte Maihak seine Firma im Jahre 1900 in die H. Maihak Aktiengesellschaft um. Außerdem vollzog er einen Strukturwandel: Aus seinem Handelsbetrieb machte er einen Reparatur- und Fabrikationsbetrieb, der sich mit der Herstellung von Spezialarmaturen und Maschinen-Indikatoren für die Industrie befaßte. Damit verbunden war ein Umzug in die Reichenstraße 47.
Für die Fabrikation der Indikatoren und von anderen immer spezieller werdenden Meßgeräten wurden bald größere Räume gebraucht; von 1905 angemieteten Werkstätten im Grevenweg 57 zog die Firma in die Geibelstraße um, wo sie bis 1939 blieb. Hier produzierte man nun zum ersten Mal in eigenen Werkshallen. Ein Prospekt von 1911 gibt einen Eindruck von dem umfangreichen Herstellungsprogramm Hugo Maihaks. Für die Verwaltung kam noch ein dreistöckiges Gebäude hinzu. Der Betrieb vergrößerte sich später um einen weiteren Bürokomplex mit anschließenden Produktionsstätten in der Semperstraße 24 – 38, denn Dampfmaschinen, Dampfkessel, Drehbänke, Bohrmaschinen, Fräsmaschinen und, und, und … brauchten jede Menge Platz …
Die ersten großen Erfolge seiner Firma konnte Maihak noch selbst miterleben, auch den Grundstein für seine Fabrikanlagen auf eigenem Grund und Boden legte er selbst, doch dann verstarb Maihak leider im Jahre 1912 im Alter von nur 54 Jahren. – Heute kann man sagen: Maihak gehörte zu denen, die dazu beigetragen haben, Maßstäbe für die in aller Welt hochgeschätzte „deutsche Wertarbeit“ zu setzen, und seine Nachfolger haben diese Tradition fortgeführt, was wir am Beispiel der für die FUNKSTUNDE besonders interessante Rundfunkstudiotechnik an späterer Stelle sehr intensiv betrachten werden.
Zuvor ein kurzer Blick auf 1) den MONO-Gasanalysator und 2) die MDS-Geräte, zwei weitere wichtige Geräte Maihakscher Entwicklungs- und Präzisionsarbeit neben dem Indikator, die sich ebenfalls weltweit durchgesetzt haben.
Zu 1): Steigender Energiebedarf in den verschiedensten Industriezweigen, etwa Glashütten, Zuckerfabriken, Gießereien, Kalkwerken oder in der Erdölindustrie, machte einen sparsamen Umgang speziell mit dem vorrangigen Energieträger Kohle notwendig. Unter dem Schlagwort „Spart Kohle“ entwickelte die Tochtergesellschaft der Maihak AG, die MONO, ein Meßsystem, mit dessen Hilfe die chemische Zusammensetzung von Rauchgasen in Dampfkesseln bestimmt, gemessen und automatisch überwacht werden konnte. – Der Gruben-MONO, ein berühmtes Spezialgerät, fand als Sicherheitssystem für Arbeiten unter Tage seinen Einsatz. Er diente dem Schutz der Arbeiter, denn er konnte den Methangehalt in Bergwerken überwachen und eine Schlagwettergefahr rechtzeitig anzeigen. – Nach der Erfindung des Verbrennungsmotors durch Otto und Diesel, trat die Dampfmaschine allmählich in den Hintergrund und die Ingenieure der Maihak AG sahen sich neuen technischen Herausforderungen gegenüber.
Zu 2): 1920/21 entwickelte die Firma die ersten MDS-Geräte, nach „Maihak Dauerschwingende Saite“ benannt, eine Technik, die bei allen Maihak – Geräten Anwendung fand, die als Meßelement eine schwingfähig gespannte Stahlsaite benutzten und Druck, Dehnung, Neigung oder Temperatur messen konnten. Um nur einige wesentliche Einsatzgebiete von MDS-Geräten zu nennen: der Beton-Dehnungsmessser beim Bauen von Staudämmen, die MDS-Spitzensonde zur Untersuchung der Festigkeit des Bodens, der MDS-Sohlwasserdruckgeber, der Auskunft über die Unterspülung von Wasserbauten gab, Temperaturmesser verfolgten den Temperaturverlauf in Betonbauten oder in Erdölsonden. Die Liste der Anwendungsgebiete könnte beliebig verlängert werden. – Die beiden Weltkriege hat das Unternehmen überstanden, indem es im 1. Weltkrieg für Heer und Marine produzierte, im 2. Weltkrieg u.a. für die Luftfahrt. Die zivile Fertigung nahm Maihak nach einer Durststrecke von ca. 3 Jahren erst 1947/48 wieder auf. Bis in die 60er Jahre bot Maihak eine ganze Palette von Spezialmeßgeräten an, die u.a. im Fernmeldewesen eine Rolle spielten. Mit dem Bau von Ton-Studiogeräten für Rundfunk, Fernsehen und Film, die eigentlich nicht in das traditionelle Sortiment paßten, landete Maihak ab Ende der 40er Jahre noch einmal einen Coup, der der Firma unweit vom Goldbekkanal in Winterhude einen legendären Ruf einbrachte. Bis heute lecken sich Fans in aller Welt die Finger nach den edlen und seltenen Stücken Maihakscher Bauart; und wer sich die Website der FUNKSTUNDE ansieht oder das Museum der FUNKSTUNDE besucht, wird eine Überraschung erleben: Hier kann der Besucher all die „Schätzchen“ sehen und ggf. hören, die Johannes Brüning im Laufe seines Lebens gesammelt hat und in seinem „lebendigen“ Museum präsentiert.
Fangen wir mit dem „Reportofon“ an.
Vom Tonschreiber C zum Reportofon
1948 benötigte der sich im Wiederaufbau befindende NWDR zusätzlich zu seinen Werkstätten eine „verlängerte Werkbank“, also Hersteller, die die bei der Zentraltechnik entwickelten Geräte mit ihren hohen Anforderungen herstellen konnten, wie dies für den Rundfunkbetrieb notwendig war. Die H.Maihak AG mit ihrer Tradition in der Herstellung von Meßgeräten und Feinmechanik schien dafür genau die richtige zu sein.
Bei kaum einem Tonstudiogerät wurde die gleichzeitige mechanische und elektrische Präzision notwendiger als bei der noch jungen Tonbandtechnik (immerhin hatte Dr. Walter Weber erst 7 Jahre zuvor in Berlin bei der AEG das HF-Magnetofon vorgestellt). – Presse und Rundfunk wurden beweglicher, und so benötigte man entsprechend leicht transportable Geräte. Wollte man zu einem „kleinen“ Interview vor Ort, konnte man nicht erst den tonnenschweren Rundfunk-Übertragungswagen mit seinen großen Magnetbandgeräten in Marsch setzen, da hatte man es eilig, sonst war der Interviewpartner möglicherweise entschwunden oder das Ereignis vorbei. Die Zentraltechnik nahm als Grundlage dieser Entwicklung ein paar übriggebliebene AEG-Tonschreiber C von der Frontberichterstattung, doch deren Tonqualität mit Gleichstrom-Vormagnetisierung war für Rundfunkzwecke nicht geeignet. Der Ingenieur Karl Erik Gondesen entwickelte in der NWDR-Zentraltechnik einen sehr guten A/W-Verstärker zu den alten Laufwerken mit nur 3 Röhren EF12. Das war die Geburtsstunde des tragbaren, netzunabhängigen Tonbandgerätes R25. Doch die wenigen Laufwerke aus Armeebeständen reichten nicht aus, um den Bedarf der „rasenden“ Reporter an diesen neuen Geräten zu decken, und das wiederum war die Stunde Null für das MMK 1, (Rundfunkbezeichnung R25a) das Maihak-Reportofon (Maihak-Magnetton-Koffer).
Dem MMK 1 folgte eine ganze Erfolgsserie bis hin zum MMK 7. – Diese hochwertigen Reportagegeräte mußten einwandfreie Tonaufnahmen liefern: in arktischer Kälte bei einem Einsatz am Himalaya ebenso wie unter glühender Sonne am Meer, hier auf den Cornaten, oder im feuchten Tropenklima Afrikas.
Maihak hat die Qualitätsprüfung bestanden, doch wieviel Aufwand zur Fertigung eines einzelnen Reportofons, in unserem Fall des MMK 6, nötig war, um allen Ansprüchen zu genügen, lassen uns die Ingenieure wissen.
Hier ein kleiner Einblick in den Firmenalltag, entnommen einer Schrift der H.Maihak AG:
„…das sog. MMK6-Reportofon (besteht) aus 355 Normteilen wie Schrauben, Muttern, Stiften usw. und aus 832 mechanischen Einzelteilen, die 54 Untergruppen angehören, die wiederum in 2 Hauptgruppen, nämlich dem Triebwerk und dem Verstärker zusammengefaßt sind. Der Verstärker enthält 186 elektrische Teile wie Transistoren, Widerstände, Kondensatoren, die durch 603 Lötstellen untereinander verbunden sind.
Es sind also insgesamt rd. 1400 Teile für ein einziges Gerät notwendig.
Zur Erreichung der anzustrebenden hohen Tonqualität ist bei der Herstellung der Einzelteile größte Präzision erforderlich.
Für Triebwerksteile beträgt die Toleranz 0,05…0,003 mm. Diese 0,003 mm bedeuten 1/10 Haaresbreite!
Beim Betrachten der Feinmechanik eines MMKs wird man an eine vergrößerte Schweizer Uhr erinnert; zu solchen Meisterleistungen der Technik sagte der unvergessene schweizer Dokumentarfilmer Roman Brodmann mit Sicht auf einen Gebirgsabstieg des Glacier-Express‘: es ist ein Wunder, aber ein ÜBERSCHAUBARES WUNDER.
Johannes Brüning, Mendelssohn und die Maihakschen Verstärker
Nicht zufällig hat sich J. Brüning in die Studiotechnik Maihaks verguckt
Schon früh erkannte er, was in ihr steckt, und das ist hier ganz wörtlich gemeint:
Wie aus dem Lebenslauf von J. Brüning hervorgeht, stand er bereits mit 8 Jahren auf der Bühne; bei seinen vielen Konzertreisen durch Europa lernte er im Laufe der Jahre die verschiedensten Aufnahmeräume, Rundfunkstudios, Säle kennen. Und da er nicht nur Mozart, Bach oder Mendelssohn liebte, sondern schon als kleiner Junge einen großen Hang zu allem „Technischen“ hatte, gelang es ihm nach einem Konzert schon mal, sich hinter die Bühne zu stehlen in eines der Aufnahmestudios „mit seinen wundervoll geheimnisvollen technischen Apparaten“, so schwärmt er noch heute …
Genau so war das auch am 18. Dezember 1957. J. Brüning war gerade 16 und unterwegs nach Köln in den Gürzenich. Abends sollte er das Violinkonzert von Mendelssohn spielen, begleitet vom Gürzenichorchester unter der Leitung von Günter Wand. Wie J. Brüning erzählt, fiel es ihm schwer, sich auf das Konzert zu konzentrieren, nicht etwa, weil er nicht geübt hätte, nein, es gab einen anderen Grund dafür: Vor seinem Auftritt auf dem Weg vom Künstlerzimmer zur Bühne hatte er aus den Augenwinkeln heraus in einem Nebenraum etwas blitzen sehen, einen Kasten oder Koffer, aus dem seitlich viele Strippen heraushingen …
Das Konzert war gespielt, Mendelssohn vergessen. Was hatte J. Brüning da vor einer halben Stunde gesehen?
„Mit der Nase bin ich reingekrochen“, so erinnert er sich, als wäre es gestern gewesen. An der Seite des Koffers entdeckte er auch noch das kryptische Zeichen, das , wie er erst später erfuhr, 2 ineinander verschachtelte Diagramme zeigt, wie sie der Maihak – Indikator vom Druckverlauf im Zylinder einer Dampfmaschine aufzeichnet. Und dann war da dieses Firmenschild „Maihak“. Brüning: „Das klang irgendwie exotisch“.
Es war ein Maihak Übertragungsverstärker V45, der in einem aufgeklappten Koffer stand, den der WDR für die Rundfunkübertragung seines Konzertes brauchte. Der junge Brüning war restlos begeistert.
Maihak Magnetofon Koffergerät – 7 am laufenden Band
Wo konnte man mehr erfahren über Maihak? Da Brüning nicht wußte wie er an Informationen herankommen sollte und sich nicht traute, mit seiner „kindlichen Handschrift“ an die Firma zu schreiben, überließ er es seinem Vater, die heißersehnten Prospekte bei Maihak zu bestellen. Die Antwort aus Hamburg kam prompt, die Freude war groß; außerdem lag der Firmenbroschüre noch ein Angebot bei: Ein MMK 1, das erste der MMK Serie „Maihak Magnetofon Koffergerät“, war zu verkaufen. Es sollte zum Sonderpreis von 1200,- DM veräußert werden, da es sich um ein Auslufmodell handelte. Die Aufregung im Hause Brüning war enorm, wie konnte sich der kleine Johannes dieses Gerät leisten? Gar nicht, denn 1957 bekam er für 1 gespieltes Konzert 1 Deutsche Mark Taschengeld.
Aber träumen durfte er doch davon? Das tat er ausgiebig: „den Prospekt habe ich ein Jahrzehnt unter dem Kopfkissen gehabt und konnte ihn auswendig.“
Auch das MMK 2 mußte J. Brüning ziehen lassen.
Im Jahr 1963 wurde er Konzertmeister beim Stuttgarter Kammerorchester, na, was hat er sich wohl von seinem ersten Gehalt gekauft? Eine MMK 3 tr, ein Transistorgerät. Sie kostete damals gebraucht 1.400 DM. Dieses Gerät wurde neben der Geige zu seinem ständigen Begleiter, zu seinem „Markenzeichen“: über der einen Schulter die Giuseppe Testore, Milano anno 1695, und über der anderen die MMK 3 von 1956 in bester deutscher Wertarbeit mit einem Gewicht von über 7 kg!
Da Brüning mit vielen prominenten Musikern zu tun hatte, denen er auch freundschaftlich verbunden war, kam das Reportofon häufig zum Einsatz. Noch heute existieren etliche private Aufzeichnungen aus dieser Zeit mit Kollegen, Dirigenten, Komponisten, die den Zeitgeist jener Tage wiedergeben, die zum Nachdenken oder auch zum Schmunzeln anregen.
Mit dem MMK 3 hatte es eine besondere Bewandnis; theoretisch kannte J. Brüning es ja bereits aus den Prospekten der Firma Maihak in- und auswendig, aber „bei einem Gastspiel in Baden-Baden, das muß so Mitte der 50er gewesen sein, konnte ich es zum ersten Mal in Aktion erleben“, erinnert er sich. Und das kam so:
Vor dem Konzert wurde der junge Künstler zu einem aktuellen Interview gebeten; das Ganze fand auf der Terrasse der Kantine des Südwestfunks statt. Brüning traute seinen Augen nicht, als der Reporter den legendären eleganten Reportofon – Koffer auf den Tisch stellte, bepflastert mit Hotelaufklebern aus aller Welt, (allein das hat ihm den Eindruck von etwas ganz Besonderem vermittelt) und sich nach dem Aufklappen des Köfferchens der nächste „unglaubliche Anblick“ bot: „…die kleinen Bandspulen, keine Strippen, kein Netzanschluß“. Vor der Aufnahme prüfte der Reporter die Batteriespannung, während des Interviews zog er das Federwerk mit der Handkurbel auf. „Das Interview verlief störungsfrei“ stellte Brüning bewundernd fest. (Die Originalaufnahme liegt heute im Bandarchiv des Südwestrundfunks und wird vielleicht bald im Museum der FUNKSTUNDE auf historischen Originalgeräten zu hören sein).
Zur Vervollständigung dieses Berichts über die MMKs noch ein paar Daten und Fotos: Parallel zum MMK 3 Röhrengerät gab es als Maschine mit 2 mischbaren Eingängen die größere Ausführung MMK 4, ebenfalls mit Röhren.
In ganz wenigen Exemplaren wurde das MMK 5, genannt Tonschreiber MMK 5 feld, für militärischen Einsatz etwa ab dem Jahre 1957 gebaut. Hierbei kam es nur auf einfache Sprachqualität an, und allein das MMK 5 hatte im Gegensatz zu allen anderen Typen, die mit 19,05 cm/s laufen, eine Bandgeschwindigkeit von 9,5 cm/s. Es folgte der wohl am meisten verbreitete Typ MMK 6, erschienen ca. 1958. Das Gerät gab es zu dem Zeitpunkt ausschließlich mit Transistoren, man kann es auch als Weiterentwicklung des in etwa vergleichbaren Typs MMK 4 mit Röhren ansehen. Der Verstärkerteil des MMK 6 fand auch Verwendung in dem zusammen mit Siemens gebauten Reportocord für 16 mm Magnetfilm. Die letzte Ausführung eines „Einmann-Gerätes“, wie es so schön im Prospekt heißt, war dann der Typ MMK 7. Die Mühe eines neuen Werbefotos hat sich die Firma erspart; das neue Gerät kam einfach per Fotomontage in unser bekanntes altes Bild aus Afrika.
Bis hierhin ging es um die Serie der verschiedenen Bandgeräte aus dem Hause Maihak. Diese Geschichte wird in Kürze fortgesetzt mit der Reihe der einzigartigen Verstärker aus der Hamburger „Edelschmiede“.
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Als wäre es gestern gewesen?
Träumen war ja nicht verboten. An anderer Stelle der FUNKSTUNDE habe ich von meiner ersten Begegnung mit der Rundfunktechnik 1948 berichtet. Unvergessen die Faszination, dass meine soeben gespielten Töne von einem laufenden Band wieder erklangen. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, um welche Bandmaschine es sich gehandelt hat, aber es kann nur eine AEG K 4 gewesen sein, denn die gesamte Technik des Berliner Rundfunks stammte 1948 noch aus der RRG – Zeit. Aber ein solches Gerät einmal selbst zu besitzen, das schien aussichtslos. Und das blieb so, bis 1956.
Ich hatte zwar ein kleines Heimtonbandgerät von Radio Holzinger als Bausatz gekauft, aber das war natürlich nur ein Trostpflaster. Wie kam nur der grüne VOLLMER – Prospekt der MTG 9-54 ins Haus?
Egal, er war da. Freunde und Förderer wurden angebohrt, dazu kamen Taschengeld und erste kleine Honorare für meine Konzerte, aus allen Quellen konnte ich die Kaufsumme endlich aufbringen. Eines Tages kam die Nachricht, eine Kiste aus Plochingen ist am Expressgutschalter am Bahnhof Witten abzuholen. Rein in die Straßenbahn der Linie 10, meine Mutter musste mit anfassen, glücklicherweise fuhr die Bahn von Haus zu Haus.
Über 50 Jahre ist das nun her, und es stehen immer noch etliche Bänder im Regal, die ich mit diesem Gerät aufgenommen habe. Später kamen größere Maschinen aus dem Haus VOLLMER dazu, heute noch im Museum der Funkstunde zu besichtigen.
Die große Zeit der Magnetophontechnik hat, wenn wir die lange Entwicklungsphase seit der Jahrhundertwende und die letzten Nachzügler in den achtziger Jahren einmal ausklammern, ja nur rund 50 Jahre gedauert. 34 lange, produktive Jahre war Eberhard Vollmer daran beteiligt. In der Rückschau ist sein Mut zu bewundern, gegen den Quasi – Monopolisten AEG/ Telefunken anzutreten. Aber er fand seine Lücke u. a. darin, fast alle Sonderwünsche in Einzelstücken oder kleinen Serien zu bedienen. Preislich blieb er deutlich unter dem Niveau von Telefunken, das verschaffte ihm Zugang auch zu Studios, die eine Telefunken M 10 für rund 20000,00 DM nicht erwerben konnten. Vom äußeren Erscheinungsbild her hat sich Telefunken 1959 vom Grundmuster der K 4 abgewandt, die Maschinen bekamen mit der M 10 ein anderes „Gesicht“. Vollmer modifizierte seine Maschinen optisch alle paar Jahre in kleinen Schritten wie VW dies bei dem Käfer tat. Die VOLLMERS blieben letztlich weiterentwickelte K 4. Das machte Auto wie Bandgerät unverwechselbar. Auch technische Gestaltung kann faszinierend sein. Diese Ausstrahlung haben Vollmers Maschinen bis heute. Und der Besucher der FUNKSTUNDE kann sich davon überzeugen.
Die technische Entwicklung bei VOLLMER hat aber leider ein paar grundsätzliche Mängel seiner Maschinen nicht beseitigt. Das waren z. B. die mit Wechselstrom betriebenen Magnete, oder das Problem der stark unterschiedlichen Bandzüge bei kleinem und großem Wickeldurchmesser links. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die als teure Zusatzausstattung hierfür angebotene Regelung über einen Verstärker in der Praxis sehr heikel war. Und Vollmer hat mit Ausnahme seines letzten Typs 236 nicht daran gedacht, dass die Maschinen meist von zarten TechnikerINNEN – Fingern bedient wurden. Deshalb waren die schweren Schaltsätze technisch schon ziemlich früh überholt. Dazu kamen Zuverlässigkeitsprobleme, unter denen fast jedes Kleinserienprodukt leidet.
In dem Zusammenhang ist mir Ingo Engelsmann unvergessen, der in seinem damaligen Studio in Castrop-Rauxel Probleme mit Tonhöhenschwankungen an einer Vollmer Typ 166 hatte, er vermutete einen Schlag der Tonwelle.Völlig fassungslos berichtete er mir von einem Anruf bei Herrn Vollmer, der auf die Frage, wie man das reparieren könne, antwortete: Da nehmen Sie ein Hämmerchen…Originaler Wortlaut!
Andere Hersteller hat es auf dem Markt nicht gegeben, bzw. sie haben sich in unbedeutenden Kleinstserien versucht.
Was gäben wir heute dafür, wenn wir über einen analogen UKW – Sender statt DAB+, der miesesten Modulationsqualität des Rundfunks seit seiner Erfindung, ein altes Tonband von einer VOLLMER mit schwergängigen Tasten und brummenden Magneten hören könnten?!
–„–Die grundsätzliche Einstellung der FUNKSTUNDE zum „neuzeitlichen“ Radio ist dem Leser ja nicht unbekannt. Also keine Überraschung, dass auch dieser Bericht ein Abgesang mit Wehmut auf eine verlorene Zeit ist.
Eine fast unglaubliche Geschichte aus jüngster Zeit muß ich hier noch anfügen:
Genau in unserem Dorf Penzing, dem Standort der Funkstunde, kam kürzlich eine nur wenige Häuser weiter lebende Nachbarin, Annegret Zawatzki, zu uns und bot der Funkstunde eine —-VOLLMER MTG 9-57 aus dem Nachlaß ihres ersten Mannes, des Stuttgarter Sprachtherapeuten Heinz Eschwege, an. Wie klein kann die Welt sein! Hier ist sie….
Die technischen Unterlagen (Schaltungen, Bedienungs- und Einstellanleitungen, Ersatzteilverzeichnisse, div. Bauzeichnungen von Einzelteilen) zu fast allen VOLLMER Studiomaschinen mit Ausnahme des Typs 236 befinden sich in der Sammlung der FUNKSTUNDE und stehen wie gewohnt zur Verfügung.
Johannes Brüning
… und hier geht es zur Firmengeschichte!
ANMERKUNG: Wenn dieses zu sehen ist kann man durch das darauf klicken eine kleine Hörprobe des angesprochennen Musikstückes hören! (Hierzu ist es erforderlich, dass der Flashplayer auf Ihrem System installiert ist.) Bitte klicken Sie die Stücke (ca. 1 Min.) nur einzeln an und hören Sie diese bis zum Ende an bevor Sie ein anderes Beispiel aktivieren, da es sonst zu Überlagerungen der Stücke kommt!
(Die Violinaufnahmen sind gespielt von Johannes Brüning)
Vorbemerkung: Einige Besucher dieser Seite haben vielleicht den (inzwischen gelöschten) Gastbeitrag von Ingrid Vollmer gelesen. Leider kam es in der Zwischenzeit mit der Autorin zu abweichenden Ansichten über die Verbreitungswege Ihrer Vollmer Chronik 2014 der Firma ihres Mannes. Wir nehmen das zum Anlass, die Firmengeschichte mit Hilfe unseres umfangreichen Archivs selbst genauer anzusehen und dabei bisherige Fehler richtig zu stellen.
Geschichte der Firma Vollmer
Die in der Einleitung genannten 34 Jahre begannen für Eberhard Vollmer bereits 1945 mit der ersten Firmengründung in seiner Heimat Esslingen nur Monate nach Kriegsende.
Der 1920 geborene Sohn aus einer Handwerkerfamilie aus Esslingen (Vater Schlosser, Mutter Hausfrau) wagte nach Rückkehr vom Dienst in der Wehrmacht mit nun 25 Jahren den Sprung in die Selbständigkeit. Ein Starkapital steuerten seine Eltern bei.
Das beste Rüstzeug für diese Entscheidung hatte er sich erworben. Da ist einmal der Sinn für die Musik, den er als Geiger in der Jugendspielschar des Reichssenders Stuttgart während der Schulzeit an der Grund- und Oberrealschule in Esslingen vertiefte (bei der Musik handelt es sich immerhin um die „Software“, die seine Bandmaschinen später festhalten sollten) und gleichzeitig entstand die intensive Neigung zur Technik. Alle erreichbaren Radios aus seiner näheren Umgebung landeten, wenn etwas nicht funktionierte, auf seinem Basteltisch. Daraus sollte sein Beruf werden: In Köthen an der Hochschule begann er ein Studium der Hochfrequenztechnik.
Seinen Wehrdienst leistet Eberhard Vollmer als Funker in Berlin zunächst in der Schreibstube von Herrn Kerkhoff ab, der die Abnahme der AEG Tonschreiber leitete. Spätestens hier muß die Faszination speziell an der Band-Tonaufnahmetechnik prägend gewesen sein. Ein besonderes Erinnerungsstück an die Berliner Zeit aus der Sammlung Vollmers konnte ich 1980 bei der Auflösung seiner Firma erwerben: Einen Tonschreiber c.
Die Jahre 1945 bis etwa in die ersten 50er verliefen für die junge Firma so, wie es typisch für die Nachkriegszeit war. Zum Überleben waren ein großes Talent zum „Organisieren“ ebenso erforderlich wie das Erkennen von Marktlücken und Möglichkeiten. Die legendären Kochtöpfe aus umgeformten Stahlhelmen waren nicht im Programm Vollmers, dafür Bilderrahmen, Lampenschirme und, etwas näher schon in Richtung Tontechnik, Lautsprecher als Chassis oder in Gehäusen.
Detaillierte Fakten aus den frühen Jahren sind nicht mehr vollständig herauszufinden. Vollmer hat es aber offensichtlich geschafft, soviel ist bekannt, „aus Nichts“ Material für Reparaturen an Studio Bandmaschinen von Radio Stuttgart aufzutreiben oder Teile herzustellen. Irgendwie konnte er auf Material von Wehrmachts-Tonschreibern zugreifen, wohl auch auf Teile der AEG K 4.
Eine der ersten eigenen Maschinen ging 1947 an das Nationaltheater Mannheim. Mir ist keine erhaltene Maschine aus dieser Produktionszeit Vollmers bekannt. Es liegt nahe, daß es z. T. wilde Konstruktionen gewesen sein müssen.
Der Werbespruch „Vollmer Vielen Voraus“,
die 3 VVV im Firmenzeichen, entstand in diesen Jahren.
Der Rundfunk in Deutschland unterlag nach Kriegsende zunächst alliierter Kontrolle. Radio Stuttgart, unter amerikanischer Leitung, erhielt als SDR seine Eigenständigkeit 1949 (der NWDR z.B. 1948 durch den berühmten Sir Hugh Greene). Der Bestand an Bandgeräten 1945 kann bei allen Sendern nicht groß gewesen sein, die Produktion während der RRG (Reichsrundfunk) Zeit war überschaubar und so einige K4 (es gab ja kaum etwas anderes) wanderten, von den Siegern mit Staunen und Bewunderung in deutschen Funkhäusern entdeckt, in die USA, siehe den englisch/amerikanischen F.I.A.T (Field Information Agency, Technical) Bericht vom Januar 1946.
Die AEG in Hamburg und Berlin konnte die fehlenden Geräte für den Sendebetrieb nicht in den erforderlichen Stückzahlen liefern, da sprang Eberhard Vollmer ein, endlich voll in seinem Element. Er entschließt sich, komplette Magnettongeräte für Radio Stuttgart, den späteren SDR, zu bauen. Die Rundfunktechnische Zentrale (RTZ) stimmt zu, von der AEG bekommt er eine Lizenz zum Nachbau der R 22 / R 22a, mit Kopfträger R 7, „zivile“ AEG Firmenbezeichnung des Gerätes: K 4. Offizielle Betriebseinführung der Vollmer R 22a laut NWDR Braunbuch 1949.
Die eigene Firmenbezeichnung war M 1. Wie die K 4 sind die „neuen“ R 22a Maschinen 3-motorig, Vollmer bietet für die Geräte zudem 2 unterschiedliche Tonmotoren an. Die R 22a hatte gegenüber der R 22 stärkere Wickelmotoren, die aber immer noch durch ein Gebläse, das sich am Tonmotor befand, belüftet werden mussten. Ob Vollmer sich schon mit Baubeginn der R 22a für eigene Motoren ohne Belüftung entschied, kann ich nicht feststellen. Spätestens ab Einführung seiner 007 (neue Bezeichnung für die M 1) um 1950 aber baute er eigene Wickelmotoren ein. Genaue Produktionszahlen der Vollmer R 22a sind nicht bekannt, allein für 1948 sollen es 80 Geräte gewesen sein. Die Preise gingen bis zu DM 2800,- Für privat unerschwinglich, wenn man sich das Einkommen jener Jahre vorstellt. Ein VW Käfer kostete zum Vergleich um DM 2500,-
Eine bisher nicht geklärte Frage ist, was es mit der Vollmer T 8u im Radiomuseum Fürth auf sich hat. Es ist sicher kein originales Vollmer Produkt (auch wenn ein Vollmer Schild angebracht ist) und nach meiner Einschätzung ein Einzelstück oder Teil einer Kleinstserie. Betriebseinführung der AEG T 8 in der ersten Version war 1947/48 laut NWDR Braunbuchblatt von 1949.
Sie wurde nach einer Mängelaufstellung von Dipl. Ing. Karl Erik-Gondesen (siehe Techn. Hausmitteilungen des NWDR 1950)
in den Folgejahren serienmäßig umgebaut, u.a. auch von Amandus Keller in Hamburg. Das AEG Laufwerk kostete um DM 10000,- Wie sollte Herr Vollmer eine größere Stückzahl erworben haben, um sie dann nach seinen Gesichtspunkten umgebaut letztendlich zu den deutlich niedrigeren Vollmer Preisen anbieten zu können? Wahrscheinlich hat ein Käufer einer teuren AEG Maschine sie für sich bei Vollmer umbauen zu lassen, evtl. haben das ganz wenige andere ebenfalls gemacht.
Die steigenden Produktionszahlen lösten 1954 einen Patentstreit mit der AEG aus, Vorwurf: Er würde mehr Maschinen herstellen, als man ihm zugestanden hätte. Unterstützung erhielt er von Herrn Dr. Schießer von der RTZ und laut Überlieferung wohl auch von amerikanischen Stellen, die sich angesichts des großen Gerätebedarfs mit Patentrechten nicht lange aufhielten. Die Sieger wollten Rundfunk machen, Umerziehung war dran, und was gab es besseres an Hilfsmitteln als die Bandtechnik?
Hören und staunen
Machen wir hier eine Unterbrechung und sehen uns eine weitere Sparte der Aktivitäten Vollmers an: Den Heimtonbereich.
Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass es um 1950 herum die private Tonaufnahme kaum gegeben hat, erst recht nicht mit der Bandtechnik.
Das ist heute schwer vorstellbar, wo angefangen von großen digitalen Geräten oder Bandmaschinen bis herunter zum kleinen Handy alles jederzeit aufnahmebereit ist. Fast alle Anbieter, vom gehobenen „Bastelladen“ Radio RIM über kleine Hersteller wie Max Ihle… bis zu exotischen Konstruktionen lösten sich anfangs bei ihren Geräten für den Hausgebrauch nicht vom Vorbild der großen Studiomaschine, die sie für den Privatgebrauch in davon elektrisch und mechanisch stark abgemagerten Versionen anboten. Es blieben aber die großen Teller für 1000 m Band und die hohen Bandgeschwindigkeiten. Das war allein vom Bandmaterial her teuer und hatte keine Chancen auf eine größere Verbreitung. Vollmer trat 1949/1950 mit seinen HTG Heimtongeräten gegen den großen Konkurrenten AEG Telefunken mit dessen AW 1/ AW2 an. Bandgeschwindigkeit der HTG 3 77 cm/sec. HTG 6 77cm/sec., auf Wunsch als HTG 6/38 mit 38 cm/sec. und HTG 9 für 38/77 cm/sec.
Preise von rund 800 bis 1200 DM. Bis zu welchem Jahr und in welchen Stückzahlen Vollmer diese Geräteart gebaut hat, läßt sich nicht mehr sagen, sehr lange kann es nicht gewesen sein. Der Nachfolgetyp MTG 9-54 kam 1953 heraus, das dürfte das Ende der HTG Serie gewesen sein. Selbst AEG Telefunken hat, gemessen am Konstruktionsaufwand, nur wenige AW 1 und 2 verkauft und bot bald seine „kleinen“ KL 15 (1951) und KL 25 (1953) an. Schnell setzten sich für den Hausgebrauch, speziell bezüglich der Bandgeschwindigkeiten und Handhabung, geeignetere Formate durch. Passend dazu kamen stark verbesserte und für niedrige Geschwindigkeiten brauchbare Bandsorten heraus, geliefert fast nur noch auf der bedienerfreundlichen 3-zack Spule (Nur die viel spätere Musikkassette war noch bequemer zu handhaben). Selbstverständlich erkannte das auch Eberhard Vollmer und fuhr deshalb 2-gleisig weiter im Bereich Heimtonbandgerät. Die Nachfolger der ersten HTG Geräte, das ebenfalls einmotorige MTG 9-54 und das 3-motorige MTG 9-57 (Erscheinungsjahre 1953 und 1957) nannte er zwar halbprofessionell, das traf aber nur eingeschränkt zu, denn sie waren ausschließlich in der teuren Ausführung AWL halbwegs autark arbeitsfähig. Diese Ausführung MTG 9-54 AWL (Aufnahme/Wiedergabe/Leistungsverstärker) war für den Privatmann zu teuer (DM 1715,00 zuzügl. jeweils DM 70,00 für einen Koffer)
und bot technisch beim Versuch professioneller Anwendung viel zu wenig. Die Handhabung beim Rangieren des Bandes war mangelhaft, brauchbarer Schnittbetrieb unmöglich und bis auf eine mir bekannte Sonderanfertigung hatte der Kopfträger einen Löschkopf und einen Kombikopf, also keine Kontrolle hinter Band. Aus heutiger Sicht auch geradezu erheiternd, das Band mit einer Feder an den Löschkopf anzudrücken… eine Filterrolle sucht man vergebens. Vereinzelt wurden die MTG als Einspieler oder Zuspieler im Theater oder als Mutter für Kopieranlagen genutzt, eine echte professionelle Produktion damit habe ich nie beobachtet.
Die Bandgeschwindigkeiten waren durch eine Aufsteckhülse auf die Tonwelle wahlweise 19 oder 38 cm/sec., auch 76 waren so möglich. Ebenso gab es eine Ausführung mit polumschaltbarem Motor. Ein paar Preise: MTG 9-54 W als reine Wiedergabemaschine DM 1029, als MTG 9-54 AW für Aufnahme und Wiedergabe DM 1320,-
Etwas zuverlässiger und besser zu bedienen war dann das 3-motorige MTG 9-57, aber die meisten grundsätzlichen Defizite des MTG 9-54 waren nicht behoben. Dafür waren die Preise sicher höher. Eine Preisliste der Ausführung 57 liegt mir nicht vor, man wird aber bestimmt bei jeder der entsprechenden Ausführungen der 57 einige hundert Mark gegenüber der Ausführung 54 hinzurechnen müssen.
Optisch waren beide MTG bis auf den Laufwerks-Bedienknebel gleich, ebenso blieben die eingebauten Verstärker völlig gleich. Aber: Die MTG 9 Geräte hatten insgesamt eine sehr anziehende optisch-technische Gestaltung, deutlich „schöner“ als die HTG. Und sie vermitteltem einem begeisterten Tonbandler wie mir (und sicher vielen anderen) das kleine Hochgefühl, irgendwie ein wenig im professionellen Bereich mit „dabei“ zu sein!
Ein echtes Heimgerät nach moderneren Vorstellungen, von Vollmer selbst in einem Angebot von 1968 als halbprofessionell bezeichnet, war dagegen sein um 1965 herausgebrachtes Magnetbandgerät 200, Preis DM 1750,- Bandgeschwindigkeiten 9/19 cm/sec oder 19/38 cm/secund Verwendung der praktischen 3-zack Spulen. Das Gerät war optisch gelungen, aber technisch nicht autark, es setzte einen Stereo-Vollverstärker mit Mikrofonvorstufe wie z.B. Klein und Hummel VS 57 oder VS 71 voraus als Quelle des Aufnahmesignals und zur Nachverstärkung des Wiedergabesignals. Die Daten lesen sich gut, aber ich habe nie ein Gerät bei irgendeinem privaten Besitzer gesehen. Die Produktionszahlen können nicht hoch gewesen sein. Bereits 1969 bietet Vollmer wie im Schlussverkauf 5 Exemplare als Vorführgeräte an, 3 der 200er (Sonderangebot von 1968/1969) für DM 950,- und 2 Stück mit Geschwindigkeit 19/38 für DM 1080,-..
Grundig, Telefunken und andere beherrschten zu der Zeit bereits den Markt für Heimtongeräte, durch Massenherstellung konnten sie deutlich niedrigere Preise anbieten..
Mit dem Vollmer Maxiphon soll das Kapitel der halbprofessionellen oder Heimtongeräte abgeschlossen sein. Zunächst benannte er ein Diktiergerät Maxiphon Beruf, einen rel. schweren rechteckigen Kasten, der nach oben etwas pyramidenförmig zulief. Aber das hatte kein langes Leben und wurde durch ein ganz anderes Produkt Maxiphon Typ 120 abgelöst oder ergänzt. Dieses 3-motorige Gerät hatte stufenlos einstellbare Bandgeschwindigkeiten von 1,5 – 38 cm/sec. Dazu wurde der Tonmotor nicht elektronisch geregelt, sondern ein Antriebsrad konnte unten auf der Capstan-Schwungscheibe über deren gesamten Durchmesser bewegt werden, dadurch ergab sich der große Geschwindigkeitsbereich.
Ein solches Gerät habe ich ebenfalls nie in Betrieb gesehen, ob diese etwas „windige“ Antriebsart für anspruchsvolle Musikaufnahmen ausreichte, möchte ich bezweifeln, da lagen die Vorteile wohl eher in dem weiten Transponierbereich, und entsprechende technische Untersuchungen wurden mit dem Gerät gemacht. Gehen wir nun zurück zum Hauptgebiet, den echten Studiomaschinen.
Gestatten, Vollmer, Eberhard Vollmer, hier meine 007 mit der Lizenz zum Aufnehmen.
007, so benannte Vollmer ab etwa 1950 seinen Nachbau der R 22a (K 4). Genaue Datierungen sind für die Anfangsjahre bis 1960 kaum mehr möglich, leider tragen alle seine Geräte, Prospekte, Wartungsanleitungen und Ersatzteillisten keine Jahreszahl. Die Geräte Vollmers schafften es auch nie in das Braunbuch des Rundfunks, das erschwert zusätzlich die Bestimmung der Zeitpunkte seiner Entwicklungen.
Einen Anhalt liefern aber die genau bezeichneten Schaltungen und einige Angaben in den Informationsblättern Tapeworm. Ab 1949 hatte er die Maschine zunächst als M 1-001 angeboten (laut Information von Frau Vollmer, kein eigener Beleg vorhanden).
Mit der 007 begann dann um 1950 der lange Entwicklungsweg seiner Studiomaschinen, die sich bis 1970 (Erscheinungdatum des Typs 236) technisch im Wesentlichen nie vom Ur-Vorbild K 4 lösten. Noch 1952 (das belegt eine Schaltung) glich seine 007 praktisch unverändert der K 4 mit einer Neuerung: Durch aufsteckbare Tonrollen war der Betrieb mit 19/38 oder 38/76 cm/sec. möglich. Ein umfangreicher Prospekt von 1954 zeigt noch die 007 ohne Polumschaltung des Tonmotors.
Um 1953 nahm sich Vollmer des problematischen Wechselstrombetriebs der Magnete in seinen Studiolaufwerken an.
Bei jedem Stop des Laufwerks schlugen die Magnetanker unterschiedlich an und brummten mechanisch oft laut vernehmbar, diesen Mangel konnte er jedoch nie ganz beseitigen.
Dazu erzeugten die Wechselstrom-Magnete (und zusätzlich die Motore) Streufelder, die für Brummprobleme im Wiedergabeweg sorgten. Vollmer kurierte das Problem nicht durch mit Gleichstrom betriebene Magnete wie sie von Telefunken ab 1952 in der T 9 eingeführt wurden, sondern versuchte ab ca. 1953 durch Polwechselschalter an allen Magneten und den Motoren nur die Symptome zu minimieren.
So konnte das interne Streufeld der komplett installierten Maschine durch Herumprobieren mit diesen Schaltern auf den jeweils relativ geringstmöglichen Brumm verringert werden.
Wohl um 1953 (sicher dokumentiert ab 1954) brachte Vollmer dann die 166 heraus mit 2 Geschwindigkeiten durch polumschaltbaren Tonmotor und 1958 sogar eine 3-fach umschaltbare Version 168.
Vollmer setzte bis 1970 auf ständige kleine Neuerungen des eigentlich überholten Grundmodells statt nach echten Fortschritten und Neuerungen zu suchen.
Sein Ziel war ein flexibles Angebot und die Möglichkeit, Kunden-Sonderwünschen mit nicht allzu hohem Aufwand entgegenkommen zu können. Deshalb bestanden die wesentlichen Änderungen am Grundmodell 007 (K 4) in der Einführung des Bausteinsystems, alle wesentlichen Baugruppen waren über Tuchel und Hirschmann Stecker miteinander verbunden.
So konnte z.B. aus einer 007 durch Austausch des Schaltwinkels und des Tonmotors eine 166 gemacht werden, oder ein Umspulregler war in die Zuleitungen der Wickelmotoren zwischensteckbar.
Für Zusatzteile wie den Umspulregler oder einen Betriebsstundenzähler gab es an die Laufwerksplatte anschraubbare Konsolen auf beiden Seiten nach dem Muster der K 4.
Sogar der Bandzug-Regelverstärker des Modells 007 U.Electronic war leicht in die Steckverbindungen einzufügen. Das genaue Datum der Einführung des Bausteinsystems läßt sich ebenfalls nicht mehr feststellen, es muß nach 1952 (siehe oben) gewesen sein. In seinem Firmen-Mitteilungsblatt Tapeworm von 1960 weist Vollmer auf die Einführung des Systems ab 1950 hin, aber vermutlich ist ausweislich der 007 Schaltung von 1952, davon auszugehen, daß er die Frist für die Werbung etwas „geschönt“ hat.
1960 führte Vollmer noch unter den bisherigen Typenbezeichnungen 007/166/168 eine durchgehende große Laufwerksplatte ein. Die Geräte hatten damit die Maße einer 007 mit angebauten Konsolen. Etwa 1961/62 erfolgte die geänderte Benennung Typ 204. 1963 wird auf der Berliner Funkausstellung dieses neue Modell vorgestellt. Das Gerät ist optisch sehr gekonnt und beeindruckend. Ein Umspulregler ist (selbstverständlich) endlich serienmäßig eingebaut und die Werbung stellt sogar Kleinigkeiten wie eine Cuttertaste als Fortschritt heraus. Dem Urmuster der K 4 / 007 ist Vollmer aber im Wesentlichen auch bis zum Typ 204 treu geblieben.
Bei den Kopfträgern seiner Maschinen hat er jedoch abweichend vom Telefunken-Vorbild technisch gute und optisch sehr ansprechende Lösungen entwickelt. Zunächst kam sein erster K 4 Nachbau mit einem Kopfträger Typ R 44 heraus, zu dem keine genauen Angaben verfügbar sind (im Braunbuch nicht enthalten), er muß aber dem zur K 4 gehörenden R 7 von Telefunken sehr ähnlich gewesen sein.
Es folgte der sog. „weiße“ KT Typ 114. Mit dem Typ 151 fand Vollmer dann um 1953 seine ureigene Gestaltung. Er war zunächst nur für Wiedergabe ausgelegt und hat eine handbediente Abschirmklappe.
Optisch nur noch ganz geringfügig weiter veredelt folgten ab 1959 die klappenlosen Typen 194, 203 und schließlich der 206 mit eingebauter Vor-Kopf Bandschere. Je nach Kopfbestückung wichen die Bezeichnungen auch etwas ab.
Bezüglich der Bedienungsfreundlichkeit seiner Maschinen hat Vollmer an die meist weiblichen Hände in den Tonträgerräumen offensichtlich erst sehr spät gedacht.
Die Funktionssteuerung aller seiner Studiomaschinen bis zum Erscheinen des Typs 236 erfolgte ausschließlich direkt über schwergängige Tastensätze.
Die Mehrzahl der Tontechnikerinnen bekam Probleme mit den Hand- und Fingergelenken, das betraf zunächst aber nicht nur Vollmer, die Telefunken T 9 war darin bis zur Einführung der M 10 im Jahre 1959 nicht besser.
Vielleicht erschwerte das nicht so sehr die Musikproduktion, aber sicher den schnellen aktuellen Dienst mit vielen Schnitten. Telefunken ging auch deshalb mit dem Erscheinen der M 10 bei der Laufwerkssteuerung den Weg über leicht bedienbare Drucktasten und eine interne Relaisschaltung.
Einen groben Überblick bezüglich der Preise und des Lieferprogramms bietet als Beispiel die Liste von 1965.
Falls neue Daten zu den Maschinen auftauchen, werde ich sie im Beitrag nachbessern.
Im nächsten Abschnitt werden die verschiedenen Versionen der Vollmer M 10, Nachfolger der schon beschriebenen MTG 9 und die Verstärker der Bandlaufwerke in Röhren- und Transistortechnik vorgestellt.
Anschließend die Sonderausführungen und (Schnell)- Kopieranlagen.
Wird fortgesetzt.
Ein kleiner Beitrag über die Wiederauferstehung der Röhrentechnik im Studio von Ulrich Apel für die Ausgabe 2 der „Funkstunde – die Illustrierte“ – mit freundlicher Genehmigung nun veröffentlicht auf www.Funkstunde.com.
Die Elektronenröhre in der Mikrofon-Verstärkertechnik
Auf der Suche nach Möglichkeiten der schnelleren Nachrichtenübermittlung, welche bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts per Draht, Telegrafenrelais und Löschfunkensender bewerkstelligt wurde, entsann man sich der zufälligen Entdeckung des Th. A. Edison.
Dieser schmolz im Jahre 1883 eine Metallplatte in eine seiner Glühlampen, weil er ergründen wollte, weshalb sich der Glaskolben nach längerer Brenndauer von innen schwärzte. Dieser Platte gab er auch einen Anschluß nach außen. Durch weitere Experimente wies Edison einen Strom, der zwischen den Anschlüssen des Glühfadens und der Metallplatte floß, nach.
Das half ihm aber auf der Suche nach Gründen für die Schwärzung nicht weiter, deshalb kümmerte er sich nicht weiter um den Stromfluß – er maß dem Umstand des Elektronenflusses keine Bedeutung bei!
Wiederentdeckt wurde diese „Edison´sche Anordnung“ etliche Jahre später:
Der Österreicher Robert von Lieben, der Engländer John Fleming und der Amerikaner Lee de Forest ließen sich fast gleichzeitig und unabhängig voneinander das „Kathodenstrahlen-Relais“ (v. Lieben 1906), das Audion (Fleming 1904) und die Gitterröhre (de Forest 1906) patentieren.
Allen Patenten gemeinsam war die Entdeckung, daß der Elektronenstrom von der erhitzten Kathode (so wurde der Heizfaden genannt) zur Anode (dem gegenüberliegenden Blech) mit einem dazwischenliegenden Gitter (einer Lochblende aus Metall oder einem Drahtgitter mit Anschluß nach außen) durch eine angelegte – meist negative – Spannung gegenüber dem Heizfaden steuerbar ist.
Wenn dieses „Gitter“ gegenüber der Kathode einen kleinen Spannungsimpuls erhielt, machte sich das durch eine große Änderung des Anodenstromes bemerkbar. Die Elektronenröhre mit Steuerung war erfunden.
Die weitere Entwicklung:
Auf der Suche nach einer Optimierung des Elektronenflusses und des Energiebedarfs zum Betrieb von Röhren gingen bis in die späten 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Hunderte von Patenten ein. Man setzte sich nicht nur mit Verstärkungsproblemen auseinander, auch die gesamte Hochfrequenztechnik, (RADAR, Erhitzung durch Microwellen) sogar bis in den Giga-Hertz-Bereich (10 hoch 9 Hertz) profitierte von den unermüdlichen Erfindern und Verbesserern, die sich der Röhrentechnik verschrieben hatten.
Zunächst erfand man die Beschichtung der Kathode durch Barium zur besseren Elektronenemission. Die sogenannten „Hellbrenner“, das waren Wolframkathoden, die ein Zimmer so beleuchteten, daß man ohne Probleme lesen konnte, gehörten nach dem 1. Weltkrieg der Vergangenheit an.
Dann gingen viele Patente speziell in die Richtung der Beeinflussung des Elektronenstromes zwischen Kathode und Anode ein:
Wirkungsgradverbesserung der „Eingitterröhre“ durch Einfügen des Schirmgitters, eines 2. Gitters zwischen Steuergitter und Anode, dadurch Verringerung der Abhängigkeit des Anodenstromes von der Anodenspannung. Vermeidung der Sekundärelektronenemission durch das Bremsgitter, das 3. Gitter zwischen Heizfaden und Anode. Der Verstärkungsfaktor besonders bei Endröhren steigt gleichzeitig um ein Vielfaches. Die Tetrode (2-Gitterröhre) und die Pentode (3-Gitterröhre) waren erfunden.
Parallel zu dieser Entwicklung stiegen natürlich auch die Ansprüche an das Signalverhalten und damit an die Signalqualität hinsichtlich Verzerrungen und Rauschen. Die Röhren wurden für ihren speziellen Zweck optimiert: Es gab Niederfrequenz- Hochfrequenz- Stromversorgungs- und Schaltröhren, die alle ihre eignen technischen Daten für den speziellen Verwendungszweck bekamen. Zusätzlich zu den reinen technischen Daten gesellte sich auch noch die Konstruktionsvielfalt der Sockel hinzu.
Das Streben nach „der Universalröhre“ wurde schnell zugunsten sehr guter Speziallösungen aufgegeben.
Einige Begriffe aus der Röhrentechnik
Die Elektroden einer Röhre werden griechisch gezählt.
So ist die einfache Anordnung, die aus Heizung und Anode besteht die Diode, also die 2-Elektrodenröhre.
Kommt das Steuergitter dazu, spricht man von einer 3-pol-Röhre oder der Triode.
Tetrode ist die Röhre mit 2 Gittern und Pentode die Röhre mit den 3 Gittern, die auch als Steuer- Schirm- und Bremsgitter bezeichnet werden.
Hexode, Septode, Oktode sind Spezialröhren hauptsächlich aus der HF-Technik, die in der NF-Verstärkertechnik keine Verwendung finden.
Die Röhre im Audio-Verstärker:
Die Vielzahl der Röhrentypen allein auf diesem Gebiet brachte natürlich auch eine Vielzahl von technischen Daten und Schaltungsmöglichkeiten mit sich. Jeder Hersteller hatte mit den unzähligen Röhren und deren Daten teilweise hervorragende Schaltungen entwickelt.
Neben Heizspannung und -strom sind die Anodenspannung und der -strom und damit die Leistung ein wichtiges Konstruktionskriterium für den Verstärkerbau. Die Geradlinigkeit von Steuerkurven, die sogenannten Röhrenkennlinien sind ebenso von Bedeutung wie das Rauschverhalten des Elektronenstroms.
So, wie der Anwender eines Verstärkers sich für die technischen Daten in Form von Diagrammen interessiert, ist für den Konstrukteur von Röhrenverstärkern die sog. Ia – Ug – Kennlinie angegeben, aus der direkt ersichtlich ist, wie die einzelnen Elektroden (Gitter; Anode etc.) zu beschalten sind, welche Spannungen angelegt werden müssen, um der Röhre den bestmöglichen Wirkungsgrad und die geringstmögliche Verzerrung abzuverlangen. Diese wohl universellste Kennlinie einer Röhre zeigt dem Konstrukteur auf einen Blick, was er von dieser Röhre verlangen kann, wo er sie unter welchen Bedingungen einsetzen kann.
Aus dieser Kennlinie läßt sich leicht die „Steilheit“ ersehen, eine technische Eigenschaft zur Klassifizierung der Röhren, geht aus ihr doch hervor, was man „vorne“ am Gitter einspeisen muß, um „hinten“ an der Anode etwas bestimmtes herauszubekommen…
Aus dieser Kennlinie läßt sich direkt die Verstärkung ersehen.
Weitere Daten geben die Grenzfrequenz an, bis zu der eine Röhre arbeitet. Da aber selbst NF-Röhren durchaus bis in den MHz-Bereich (einige 1000 kHz) gehen, braucht man sich hier keine Gedanken zu machen.
Der Spannungsverstärker (Line-Verstärker) hat die Aufgabe, die niedrigen Pegel eines Mikrofons, eines Instruments für den Betrieb im Studio anzuheben. In der Studio-Röhrentechnik geschieht das in der Regel mit einem 2-3-stufigen Verstärker, der neben steilen Röhren (wenig Gitterspannungsänderung resultiert in viel Anodenstromänderung) auch geeignete „Schaltungskniffe“ enthält, den Frequenzgang zu beeinflussen und den Störpegel (z. B. Röhrenrauschen) zu senken.
Diese Röhren-Vorverstärker, es können Trioden oder Pentoden darin verwendet werden, sind meist klein und sie wären unscheinbar, würden sie nicht warm und bräuchten sie nicht ein wenig Zeit, um aufzuheizen um optimal zu arbeiten. Da das „Steuergitter“ im Vakuum zwischen Kathode und Anode „hängt“, ist allen Röhren gemeinsam: sie lassen sich ohne Leistungsaufwand, nur mit kleinen Spannungen sozusagen „mühelos“ steuern!
Dieser Umstand ergibt einen meist sehr hochohmigen Eingang, der ohne Probleme an die meisten Geräte angeschlossen werden kann, da diese dann rückwirkend nicht belastet werden.
Verzerrungen
Da die Kennlinie einer Röhre gekrümmt ist, entstehen an ihrem Ausgang, der Anode Verzerrungen. Der Anodenstrom folgt also nicht genau dem Verlauf der Gitterspannung. Besonders im unteren Teil, wie in der Ia – Ug – Kennlinie zu sehen ist, entstehen durch die Nichtlinearität erhebliche Verzerrungen.
Trotzdem gelingt es den Röhrenkonstrukteuren, einen kleinen Teil dieser Kennlinie in jeder Röhre annähernd gerade zu gestalten. Nun liegt es an der Kunst des Verstärkerbauers, dafür zu sorgen, daß alle Signale, die verarbeitet werden sollen, in diesem Bereich der Kennlinie liegen.
Die Röhren haben, bedingt durch ihren Aufbau, eine etwas andere Kennliniencharakteristik als die Halbleiter. Sie sind etwas „weicher“ bei der Signalumformung und auch in der Übersteuerung „angenehmer“ als ihre „kalten“ Kollegen. Das macht den Klang etwas runder, die Bässe sind ausgeprägter und die Höhen werden samtig, sie verlieren ihre Schärfe. Verantwortlich dafür ist die 2. Harmonische, also die Oktave.
Bei Halbleitern hingegen finden wir die 3. Harmonischen, die das Klangbild rauher machen.
Warum Triode und Pentode einen unterschiedlichen Klang haben
Sowohl die Anoden- als auch die Gitterspannung bestimmen den Arbeitspunkt der Röhre.
Da die negative Gitterspannung leicht durch einen Kathodenwiderstand (Spannungsabfall) erzeugt werden kann, ist diesem Bauelement eine besondere Beachtung zu schenken.
In einer Triode ist der Anodenstrom direkt von der Anodenspannung abhängig. Mit Schwanken des Anodenstromes schwankt der Spannungsabfall am Kathoden-Widerstand und somit verschiebt sich der Arbeitspunkt der Röhre mit der Aussteuerung!
Daher erfreuen sich echte „Triodenverstärker“ großer Beliebtheit, da sie angenehm weich mit steigendem Pegel k2 steigen lassen, welches nichts anderes bedeutet, daß der ursprüngliche Ton mit seiner Oktave überlagert wird! Anders verhält sich die Pentode. Sie ist bei der Aussteuerung härter, da durch Gitter 2 die Abhängigkeit von Ua (Anodenspannung) und Ia (Anodenstrom) entkoppelt sind.
Der Arbeitspunkt ist stabiler, die Kennlinie gerader und im Falle der Übersteuerung treten durch k3 unangenehmere „Mißtöne“ auf!
Man darf auch nicht außer Acht lassen: die größten Entwicklungsschritte für die Röhre (in den 50er und 60er Jahren) wurden gemacht, als der Transistor (erfunden 1949) schon existierte. Der Nachteil dieses „Halbleiters“ – wie der Transistor auch genannt wurde – war nämlich am Anfang: zu teuer, zu empfindlich, zu temperaturabhängig, zu ungenau in den technischen Daten. Man gab ihm daher keine rechte Chance für die Zukunft…
In der Röhrentechnik jedoch hatten die meisten Firmen – hier ganz besonders Telefunken und Valvo (Philips) – die meiste Erfahrung.
Heute entstehen vermehrt Röhrenverstärker, weil es wieder Röhren gibt und diese – wegen ihrer Technologie – prinzipiell völlig anders arbeiten, als Transistoren und demzufolge anders klingen.
Gemeint ist in diesem Fall die Röhre im allerersten Glied der Kette: im Mikrofonverstärker, der eigentlich nur ein Impedanzwandler ist.
Röhrenmikrofone sind grundsätzlich Kondensatormikrofone, deren Vater unbestritten Georg Neumann ist.
Neumann, ein Schüler des Pioniers der Studiomikrofone, Eugen Reisz, machte sich schon früh Gedanken über die Klangverbesserung der von Reisz produzierten Kohlemikrofone.
So konnte Neumann 1929 die Schallschwingungen, welche nichts Weiteres sind, als die Schwingungen der Luftmoleküle, fast trägheitslos in elektrische Schwingungen umsetzen. Dies geschah mit einem mikroskopisch dünnen Häutchen, welches in einer Kapsel mit einer speziell gelochten Gegenelektrode einen Kondensator bildete.
Dieser Kondensator wird nun durch die sogenannte Polaritätsspannung aufgeladen, und die Bewegung des Häutchens durch den Schall, verursacht dann eine Ladungsänderung. Das Gebilde hat einen Innenwiderstand von mehreren hundert Millionen Ohm! In der Studiotechnik sind aber 200 Ohm üblich…
Um hier eine Anpassung zu erreichen, benutzte Neumann eine einzige Röhre!
Durch das Vakuum ist eine Röhre als hochohmiges Bauteil geboren, ein Halbleiter mußte erst dazu gemacht werden.
Dieses Prinzip nutzte Neumann in seiner von ca. 1930 – 1950 gebauten „Flasche“. Sie wurde dank ihrer außerordentlichen Klangeigenschaften schnell zum „Standard“.
Oben ist die abschraubbare Kapsel zu erkennen, und im unteren, weitaus größeren Teil, der mit einer glühlampengroßen Röhre bestückte „Verstärker“.
Kurz nach dem Kriege wurde diese „Flasche“ um ca. die Hälfte verkleinert. Es entstand das U 47, ein Mikrofon, welches gerade heute als „Legende“ bezeichnet wird. Dieses Mikrofon erhielt eine Doppelmembrankapsel und war somit das erste in seiner Charakteristik (Rundumempfindlichkeit) umschaltbare Mikrofon.
In Zusammenarbeit mit der Zentraltechnik des damaligen N:W:D:R: wurde der Mikrofonverstärker erneut überarbeitet. Es entstand das Mikrofon „M49“, heute ein Klassiker, bei dem sich die Richtcharakteristik von Kugel über Niere bis zur Acht stufenlos einstellen läßt.
Dieses Mikrofon wurde von 1951-1974, also wiederum mehr als 20 Jahre gebaut!
Heutige Röhrenmikrofone am Beispiel von Microtech Gefell
Ein Klassiker mit der Röhre EC 92 ist auch heute noch das UM 57. Dieses Mikrofon ist, wie auch seine modernen Nachfolger, mit der originalen M-7-Kapsel ausgestattet. Am externen Netzteil ließ sich die Charakteristik umschalten. Ein ganz besonderes Mikrofon aus der neueren Entwicklung – weil mit einer Spezialröhre bestückt – ist das UM 900 von Microtech Gefell: Es ist das erste phantomgespeiste Röhrenmikrofon. Die Spezialröhre ist eine selektierte Niedervolt-Röhre. Am Mikrofon lassen sich Bedämpfungen und Charakteristiken umschalten.Ebenfalls mit der EF 86 und der M-7-Kapsel ausgestattet ist das umschaltbare UM 92.1S
Hier noch – als Beispiel – die Abbildung und die Daten einiger wichtiger Röhren, die heute immer noch und wieder Verwendung in Mikrofonverstärkern finden:
Quellen:
Funktechnische Arbeitsblätter Röhrentaschentabelle Franzis-Verlag Ratheiser: Röhrenschaltungen Alle Fotos vom Verfasser, Ausnahme: die Abbildungen von Microtech Gefell
Verfasser:
Ulrich Apel Freiberuflich tätiger Toningenieur Brückweg 23 53947 Nettersheim
NWDR Zentraltechnik
Diese Bilder sind Teil einer Fotodokumentation über den NWDR aus den Jahren 1954/55 und sie machen es nach einem halben Jahrhundert möglich, das Funkhaus an der Hamburger Rothenbaumchaussee vollständig und virtuell zu besichtigen.
An der technischen Ausrüstung ist der Übergang von der älteren Reichsrundfunk-Gestelltechnik (V41 u.a.) zur neueren Kassetten- (V72) Technik sehr schön zu verfolgen. Hand auf`s Herz: Für einen Zeitsprung-Tag in DEN Studios, Werkstätten und Ausstellungen würden wohl viele mit mir meilenweit wandern … (Im kommenden Jahr ist so etwas Ähnliches im großen historischen Studio der Funkstunde möglich!). Sogar das echte Klangbild aus der Zeit des echten Rundfunks gibt es dann hier zu hören. ICH war dabei und die vielfältigen Erinnerungen sind frisch wie von gestern – so sehr begeistert hat mich diese Welt schon damals.
Da spielte ich z.B. als Solist mit dem Hamburger Rundfunkorchester die 3 Capricen nach altbrabantischen Weisen, die mir mein Lehrer Hermann Unger gewidmet hatte. Und mit viel Geduld hat mir der alte Toningenieur Kurt Wiese 1000 Fragen in den Pausen beantwortet – auch warum er nicht die damals recht neuen Neumann M49 Mikros verwendete, sondern Beyer Bändchenmikros. Was mit einem Mikrofon-Vorverstärker wie dem V41 auch kein Problem war. Und er hatte für mich erste Antworten und Demos zur aufkommenden Stereofonie parat. Übrigens: In den ersten Jahren nach dem Kriege wurde vielen Typen-Bezeichnungen der alten RRG-Verstärker ein B vorangestellt (B-V41), ganz einfach, das besagte „British2 – war doch der alte Sender Hamburg sehr schnell unter britischer Kontrolle und Förderung wieder auf Sendung gegangen. Die manchmal unvollständigen Angaben zu den Personen auf den Bildern erfolgten nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen, die aber leider nicht lückenlos sind. Es hat mir aber Freude gemacht, die damaligen Profis auch persönlich nennen zu können, zumal ich mit einigen besten Kontakt hatte. Falls Sie hier zur Ergänzung beitragen können, würde ich mich über eine Nachricht freuen.
Die technischen Entwicklungen des Deutschen Rundfunks der 40-60er Jahre hier im Detail darzustellen, ist im Rahmen dieser Seite nicht möglich. Der echte Fan erkennt die Einrichtungen auf den Fotos unseres Rundganges – und für einen „Einsteiger“ müßte man ohnehin ein Buch schreiben … Im Archiv der Funkstunde befinden sich aber umfassende Unterlagen zu dieser Technikgeschichte einschl. der Entwicklungs- und Arbeitsberichte der Zentraltechnik des NWDR. Alle Fragen können hier beantwortet werden und nach Vereinbarung stehen Kopien der Unterlagen zur Verfügung. Nun aber auf zu unserem Streifzug durch die „heiligen (Rundfunk-) Hallen“, zuvor aber einen herzlichen Dank an meinen Freund Ralph Fuhrmann, den begeisterten Begleiter der Rundfunkgeschichte, der die folgenden Dokumente mit wachen Augen im richtigen Moment vor dem Müllcontainer bewahrte.
Bildergalerie des NWDR
Bildergalerie der NWDR Empfangs- und Meßstation Wittsmoor
Zur technischen Überwachung der Rundfunkbänder wurde die Meß- und Empfangsstation Wittsmoor in Holm im Kreis Pinneberg 1951 vom Nordwestdeutsche Rundfunk errichtet. Die folgenden Fotos entstanden von Januar bis August 1954.