Als wäre es gestern gewesen?

Träumen war ja nicht verboten. An anderer Stelle der FUNKSTUNDE habe ich von meiner ersten Begegnung mit der Rundfunktechnik 1948 berichtet. Unvergessen die Faszination, dass meine soeben gespielten Töne von einem laufenden Band wieder erklangen.  Ich weiß es nicht mehr ganz genau, um welche Bandmaschine es sich gehandelt hat, aber es kann nur eine AEG K 4 gewesen sein, denn die gesamte Technik des Berliner Rundfunks stammte 1948 noch aus der RRG – Zeit. Aber ein solches Gerät einmal selbst zu besitzen, das schien aussichtslos. Und das blieb so, bis 1956.

Ich hatte zwar ein kleines Heimtonbandgerät von Radio Holzinger als Bausatz gekauft, aber das war natürlich nur ein Trostpflaster. Wie kam nur der grüne VOLLMER – Prospekt der MTG 9-54 ins Haus?

Egal, er war da. Freunde und Förderer wurden angebohrt, dazu kamen Taschengeld und erste kleine Honorare für meine Konzerte, aus allen Quellen konnte ich die Kaufsumme endlich aufbringen. Eines Tages kam die Nachricht, eine Kiste aus Plochingen ist am Expressgutschalter am Bahnhof Witten abzuholen. Rein in die Straßenbahn der Linie 10, meine Mutter musste mit anfassen, glücklicherweise fuhr die Bahn von Haus zu Haus.

Vollmer MTG 9

Vollmer MTG 9

Über 50 Jahre ist das nun her, und es stehen immer noch etliche Bänder im Regal, die ich mit diesem Gerät aufgenommen habe. Später kamen größere Maschinen aus dem Haus VOLLMER dazu, heute noch im Museum der Funkstunde zu besichtigen.

Die große Zeit der Magnetophontechnik hat, wenn wir die lange Entwicklungsphase  seit der Jahrhundertwende und die letzten Nachzügler in den achtziger Jahren einmal ausklammern, ja nur rund 50 Jahre gedauert. 34 lange, produktive Jahre war Eberhard Vollmer daran beteiligt. In der Rückschau ist sein Mut zu bewundern, gegen den Quasi –  Monopolisten AEG/ Telefunken anzutreten. Aber er fand seine Lücke u. a. darin, fast alle Sonderwünsche in Einzelstücken oder kleinen Serien zu bedienen. Preislich blieb er deutlich unter dem Niveau von Telefunken, das verschaffte ihm Zugang auch zu Studios, die eine Telefunken M 10 für rund 20000,00 DM nicht erwerben konnten. Vom äußeren Erscheinungsbild her hat sich Telefunken 1959 vom Grundmuster der K 4 abgewandt, die Maschinen bekamen mit der M 10 ein anderes „Gesicht“. Vollmer modifizierte seine Maschinen optisch alle paar Jahre in kleinen Schritten wie VW dies bei dem Käfer tat. Die VOLLMERS blieben letztlich weiterentwickelte K 4. Das machte Auto wie Bandgerät unverwechselbar. Auch technische Gestaltung kann faszinierend sein. Diese Ausstrahlung haben Vollmers Maschinen bis heute. Und der Besucher der FUNKSTUNDE kann sich davon überzeugen.

Die technische Entwicklung bei VOLLMER hat aber leider ein paar grundsätzliche Mängel seiner Maschinen nicht beseitigt. Das waren z. B. die mit Wechselstrom betriebenen Magnete, oder das Problem der stark unterschiedlichen Bandzüge bei kleinem und großem Wickeldurchmesser links. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die als teure Zusatzausstattung hierfür angebotene Regelung über einen Verstärker in der Praxis sehr heikel war. Und Vollmer hat mit Ausnahme seines letzten Typs 236 nicht daran gedacht, dass die Maschinen meist von zarten TechnikerINNEN – Fingern bedient wurden. Deshalb waren die schweren Schaltsätze technisch schon ziemlich früh überholt. Dazu kamen Zuverlässigkeitsprobleme, unter denen fast jedes Kleinserienprodukt leidet.

In dem Zusammenhang ist mir Ingo Engelsmann unvergessen, der in seinem damaligen Studio in Castrop-Rauxel Probleme mit Tonhöhenschwankungen an einer Vollmer Typ 166 hatte, er vermutete einen Schlag der Tonwelle.Völlig fassungslos berichtete er mir von einem Anruf bei Herrn Vollmer, der auf die Frage, wie man das reparieren könne, antwortete: Da nehmen Sie ein Hämmerchen…Originaler Wortlaut!

Andere Hersteller hat es auf dem Markt nicht gegeben, bzw. sie haben sich in unbedeutenden Kleinstserien versucht.

Was gäben wir heute dafür, wenn wir über einen analogen UKW – Sender statt DAB+, der miesesten Modulationsqualität des Rundfunks seit seiner Erfindung, ein altes Tonband von einer VOLLMER mit schwergängigen Tasten und brummenden Magneten hören könnten?!

–„–

Die grundsätzliche Einstellung der FUNKSTUNDE  zum „neuzeitlichen“ Radio ist dem Leser ja nicht unbekannt. Also keine Überraschung, dass auch dieser Bericht ein Abgesang mit Wehmut auf eine verlorene Zeit ist.

Eine fast unglaubliche Geschichte aus jüngster Zeit muß ich hier noch anfügen:

 Genau in unserem Dorf Penzing, dem Standort der Funkstunde, kam kürzlich eine nur wenige Häuser weiter lebende Nachbarin, Annegret Zawatzki, zu uns und bot der Funkstunde eine —-VOLLMER MTG 9-57 aus dem Nachlaß ihres ersten Mannes, des Stuttgarter Sprachtherapeuten Heinz Eschwege, an. Wie klein kann die Welt sein!  Hier ist sie….

Vollmer MTG 9-57

Vollmer MTG 9-57

Die technischen Unterlagen (Schaltungen, Bedienungs- und Einstellanleitungen, Ersatzteilverzeichnisse, div. Bauzeichnungen von Einzelteilen) zu fast allen VOLLMER Studiomaschinen mit Ausnahme des Typs 236 befinden sich in der Sammlung der FUNKSTUNDE und stehen wie gewohnt zur Verfügung.

Johannes Brüning

… und hier geht es zur Firmengeschichte!

ANMERKUNG: Wenn dieses zu sehen ist kann man durch das darauf klicken eine kleine Hörprobe des angesprochennen Musikstückes hören! (Hierzu ist es erforderlich, dass der Flashplayer auf Ihrem System installiert ist.) Bitte klicken Sie die Stücke (ca. 1 Min.) nur einzeln an und hören Sie diese bis zum Ende an bevor Sie ein anderes Beispiel aktivieren, da es sonst zu Überlagerungen der Stücke kommt!

(Die Violinaufnahmen sind gespielt von Johannes Brüning)